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Der Süddeutschen Zeitung gebührt die Anerkennung, mit der Neuedition von 50 großen Romanen des 20. Jahrhunderts unter dem Motto „Lese. Freude. Sammeln“ einen großen literarischen Beitrag geleistet zu haben. Der derzeitige Einführungspreis von 4,90 EUR ist zudem unschlagbar für diese gebundenen Ausgaben und erinnert an DM-Zeiten, wo gute Taschenbücher durchaus noch für 6,80 DM zu haben waren.
Georges Simenon hat ein Werk von über 400 Büchern hinterlassen, davon gut 80 Maigret-Romane. Dabei wird Simenon gerne als Autor von „Unterhaltungsliteratur“ unterschätzt. Doch auch seine Maigret-Romane sind immer genaue Sozialstudien und menschliche Psychogramme.
Besonders aber die „Nicht-Maigret-Romane“ zeichnen sich als das aus, was Literatur sein soll: Sie zeigen Menschen im Konflikt. Im vorliegenden Roman ist für den Familienvater und Prokuristen Kees Popinga von einer Minute auf die andere nichts mehr so wie es war. Sein Chef hat spekuliert und die Reederei, in der Popinga seit 20 Jahren arbeitet, ist damit pleite. Damit ist auch Popingas Schicksal besiegelt, der soziale Abstieg ist programmiert. Sein Chef setzt sich ab und der biedere Popinga beschließt, es ihm gleich zu tun. Er verlässt seine Heimatstadt Delzijl mit dem Zug in Richtung Paris.
Von nun an erleben wir, was die obwaltenden Verhältnisse in Menschen anrichten können. Popinga will, wenn schon alles vor die Hunde geht, wenigstens einmal frei sein. Dabei geht er sogar über Leichen und wird innerhalb kürzester Zeit vom braven Mann zum gesuchten Kriminellen.
Simenon zeigt in fast allen seinen Nicht-Maigret-Romanen Menschen am Scheideweg. Alles ist plötzlich möglich. Die heile bürgerliche Existenz zeigt sich als trügerische Scheinwelt. Und so lautet der letzte Satz dieses Romans denn auch: „Es gibt keine Wahrheit, oder?“
Der Leser erlebt wieder einmal eine meisterhafte Erzählung eines mit sich ringenden Menschen. Literatur wir sie sein soll: Spannend und bedeutsam!