Hans Albert – „Das Elend der Theologie“

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In wohl kaum zufälliger Anlehnung an den Titel einer Marxsche Streitschrift veröffentlichte Hans Albert, Professor für Soziologie und Wissenschaftslehre in Mannheim, bereits im Jahre 1979 diese „Kritische Auseinandersetzung mit Hans Küng“. Dabei geht es um eine kritische Exegese der beiden Küngschen Bücher „Christ sein“ und „Existiert Gott?“. Im Jahre 2004 fügte er der zweiten Auflage ein weiteres Kapitel zu, in dem er sich auch das dritte Buch Küngs „Ewiges Leben“ vornimmt.

Albert wird als wichtigster deutschsprachiger Vertreter des „Kritischen Rationalismus“ bezeichnet. Im Stile von Karl Marx und Friedrich Engels „verdrischt“ er in diesem 200 Seiten starken Werk den Theologen Hans Küng in schonungsloser Weise: Küngs Argumentation wird Stück für Stück zerpflückt, gedankliche Fehler nachgewiesen und Dilemmata christlicher Argumentation freigelegt.

„Die Methode, das zu postulieren, was man braucht, hat viele Vorteile. Es sind dieselben, wie die Vorteile des Diebstahls gegenüber ehrlicher Arbeit.“ (Bertrand Russell)

Albert geht es um die alles entscheidende Frage: Entweder kann der Glaube an Gott bewiesen werden: wie ist er dann noch Glaube? Oder er kann nicht bewiesen werden: wie ist er dann noch vernünftig?

Dabei geht es in diesem Buch um viel mehr als eine Streitschrift gegen die Bücher Hans Küngs. Die gesamte Theologie steht zur Disposition. Es geht Albert um nichts weniger als die Erledigung des christlichen Gottesglaubens. Zu recht, denn seit vielen Jahrhunderten bzw. spätestens mit Beginn der Aufklärung sieht sich die christliche Theologie vor Fragen gestellt, die sie nicht beantworten kann oder – schlimmer noch – will.

„Sie ist schon insofern ein interessantes Unternehmen, als sie in einer Gesellschaft, deren Weltauffassung sich so entwickelt hat, daß christliche Glaubensvorstellungen keine zentrale Bedeutung mehr für sie haben, dennoch hartnäckige Versuche macht, den christlichen Glauben vor der Erosion zu bewahren.“

Wer an den christlichen Gott glauben will, darf nicht wissen wollen. „Sapere aude“ (Horaz, später von Kant aufgenommen) – wage es zu wissen – diesen Satz fürchten die Kirchenoberen ähnlich wie in ihrer eigenen Mythologie der Teufel das Weihwasser. Gewiss, systemimmanent ist die Forderung, nicht wissen zu wollen und stattdessen zu glauben, eine conditio sine qua non. Denn wer wissen will, kann nicht glauben. Und wer glauben will, darf nicht wissen wollen.

Zwar leben wir technologisch im 21. Jahrhundert, doch ist das Weltbild des Christentums immer noch von Jahrtausende alten Legenden geprägt. Mit naivem Kinderglauben jedoch werden wir die Herausforderungen der Zukunft für ein friedliches Zusammenleben der Menschheit im Diesseits nicht bewältigen können.

Dieses Buch eignet sich also nicht nur für diejenigen Leser, die am Disput über Hans Küngs Bücher interessiert sind, sondern vor allem auch für jene Leser, die es bisher nicht wagten, den letzten entscheidenden Gedanken logisch zu Ende zu denken und sich endgültig vom christlichen Glauben zu verabschieden. Dass dies ein Akt der Befreiung sein kann, haben andere Philosophen (Kant, Nietzsche, Einstein, Sartre uvam) der Zeitgeschichte hinreichend nachgewiesen, wie auch Atheisten möglicherweise die glaubhafteren Vorbilder für ein humanistisch-ethisches Weltbild sein können.

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