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Dieser wunderbare Film mit Michael Nyqvist und Frida Hallgren ist (auch) ein anschauliches Beispiel „systemischer Theorie“, wie sie von C.G. Jung und anderen beschrieben wurde. Ohne diese unnötig strapazieren zu wollen, seien die folgenden Gedanken erlaubt:
Wir alle sind Teil eines jeweiligen Systems. Alleine sind wir nicht überlebensfähig, auch der Virtuose mit Weltruf nicht. Gemeinschaft bedeutet jedoch, Bindungen einzugehen. Und genau darum geht es in diesem Film.
Wahre Gemeinschaft ist von Ehrlichkeit und Offenheit geprägt. Doch müssen diese oftmals erst hergestellt werden – und das fängt mit der Entdeckung von „Selbstlügen“ an. „Erkenne Dich selbst“ formulierte bereits Cicero.
Erst als Daniel, inzwischen ein gefragter Weltstar, vom „falschen Leben“ gezeichnet in sein Heimatdorf zurückkehrt, aus dem seine Mutter mit ihm als Kind vor der Gewalt der anderen „geflüchtet“ ist, findet er zu sich und der Gemeinschaft zurück.
Er stellt schnell fest, die Gewalt ist immer noch da. Vor ihr zu fliehen, hebt sie nicht auf. Männer prügeln Frauen, Pfarrer predigen (falsche) Moral, Ehemänner betrügen, Freunde quälen Freunde, Menschen schließen Behinderte aus, Frauen erdulden, alle sind feige und keiner lehnt sich auf.
Es ist, als ob ein lange fehlendes Mosaikstück das Ganze plötzlich vollendet, als ob diese Dorfgemeinschaft nur auf diesen Impuls gewartet hat. Von nun an beginnen Menschen, sich zu entwickeln und auf sich zu besinnen, auf ihre tief verborgenen Wünsche, die letztlich alle auf ein Motiv zurückgehen: Uneingeschränkte Liebe und Angenommenheit, ganz gleich, ob Mann, Frau, alt, jung, behindert, arm oder reich.
In dem Moment, wo die Menschen dieses Ortes in Rahmen ihres gemeinsamen Themas, dem Singen, unter der Leitung Daniels beginnen, in sich hineinzuspüren, entsteht eine ungeheurere Kraft und gerät das Dorf aus dem Fugen – das „künstlich“ aufrecht erhaltenen Scheinsystem, das auf feigem Schweigen und Wegsehen basierte, beginnt zu wanken. Doch ohne eine jeweilige Konfrontation mit der Gewalt, ohne dass jeder sein eigenes (Lebens-) Thema löst, geht es nicht. Am Ende siegt die Liebe über die Gewalt, alle werden aufgehoben.
Fazit: Dieser Film geht unter die Haut, ohne je kitschig zu werden – eine Gratwanderung, die nur wenige Regisseure beherrschen. Und wohl nicht zufällig erinnert dieser Film Kay Pollaks an die großartigen Werke Ingmar Bergmanns. Pollak hat für mich mit diesem Film bewiesen, dass er das zentrale Thema dieses großen Meisters der Film- und Theatergeschichte fortsetzen kann.