Rüdiger Safranski – „Romantik: Eine deutsche Affäre“

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Als Romantik bezeichnet man die kulturgeschichtliche Epoche, die vom Ende des 18. Jahrhunderts bis weit in das 19. Jahrhundert hinein reichte und sich insbesondere auf den Gebieten der bildenden Kunst, der Literatur und der Musik äußerte.

Neugierig geworden durch das ausgesprochen kenntnisreiche Schillerbuch, habe ich auch dieses Sachbuch als Hörbuch erworben. Rüdiger Safranski ist wahrlich kein Unbekannter in der Literaturszene. Sein Ruf als Biograph ist umfassend. Ob Rüdiger Safranski auch der ideale Vorleser seines eigenen Werkes ist, darüber habe ich bereits im ersteren Hörbuch berichtet. Mich stören Sprachfehler (Sigmatismen) schon. Mancher Autor wäre besser beraten, einen professionellen und ausgebildeten Sprecher vortragen zu lassen.

Auf fünf CDs und 330 Minuten erfährt der Hörer trotz der gegenüber der Buchversion gekürzten Hörbuchfassung viel Neues über diesen Inbegriff deutschen Geistes. Wir lernen Autoren und Philosophen wie Tieck, Novalis, Fichte, Schelling, Schlegel und viele andere kennen.

Das Werk hat zwei Teile. Im ersten wird die Epoche der Romantik vermessen, im zweiten ihre Nachwirkung analysiert und jene Geisteshaltung des „Romantischen“ beschrieben, deren Spur bis in die jüngste Gegenwart reicht. Denn Safranski geht es nicht allein um die Epoche der Romantik, sondern auch um das Romantische als deutsche Geisteshaltung an sich. Und anders als in der klassischen Definition lebt die Romantik für Safranski bis heute in Autoren wie Wagner, Nietzsche und Thomas Mann, Heidegger, ja, bis zur 68er Revolte in Deutschland fort.

Kein Wunder, dass eine solche Spannbreite Leser und Autor überfordern kann, auch wenn Safranski sich auf die deutsche Romantik – und hier im Wesentlichen auf die Literatur – beschränkt. Die Begeisterung des Autors überträgt sich oft auf den Leser / Hörer, eben weil Safranski es versteht, seine philosophischen Betrachtungsweisen mit überlieferten Anekdoten zu würzen.

Viel Neues kann der Leser / Hörer erfahren, wenn Safranski sich mit seinem großen Wissen über Autoren wie Hölderlin, Novalis, Kleist oder Heine auslässt (besonders die beiden Letzteren erscheinen mir nun in einem neuen, nicht durchweg angenehmen Licht).

Safranski stellt uns die Romantik vor allem als Antwort auf die Entzauberungen der Moderne vor. „Der romantische Geist ist vielgestaltig, musikalisch, versuchend und versucherisch, er liebt die Ferne der Zukunft und der Vergangenheit, die Überraschungen im Alltäglichen, die Extreme, das Unbewusste, den Traum, den Wahnsinn, die Labyrinthe der Reflexion. Der romantische Geist bleibt sich nicht gleich, ist verwandelnd und widersprüchlich, sehnsüchtig und zynisch, ins Unverständliche vernarrt und volkstümlich, ironisch und schwärmerisch, selbstverliebt und gesellig, formbewusst und formauflösend.“

Fazit: Die Meriten Safranskis bestehen darin, dass er auch dieses (Hör-) Buch weniger für das philologische Fachpublikum geschrieben hat, sondern für all jene, die sich für dieses Thema interessieren. Ob Buch oder CD, wir erhalten etwas Seltenes: Spannend erzählte deutsche Geistesgeschichte.

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