Urs Widmer – „Herr Adamson“

Rating: ★★★☆☆ 

Urs Widmer gehört, obwohl selbst bereits 1938 geboren, unzweifelhaft zu den profiliertesten schweizer Schriftstellern der Neuzeit nach Frisch und Dürrenmatt. Seine Themen sind meist ausgefallen und oszillieren zwischen ernst und phantasievoll. Denn Widmers Kennzeichen ist das phantasievolle Ausspinnen klassischen Abenteuer- und Reisegeschichten bis hin zum Surrealen. Manchmal grenzt seine Vorstellungskraft jedoch ans Utopische, geht mit ihm gar durch und ist dann größer als die manchen Lesers – wie in diesem Buch mit dem Titel „Herr Adamson“.

Laut Klappentext geht es im vorliegenden Buch um einen „vorweggenommenen Abschied“. Ein „Mann mit Schnauz“ wie Urs Widmer, feiert (auch) am 21. Mai 2032 seinen 94. Geburtstag. Die Geschenke, die er von seiner Familie bekommt, sprechen eine deutliche Sprache: Ein Miniaturboot mit einem schwarzen Fährmann im Heck; ein Lebkuchenherz mit der Aufschrift „Gute Reise“; Brot und Wein als Wegzehrung und ein Tonbandgerät.

Am folgenden Tag sitzt er nun im verwunschenen Garten seiner Kindheit und spricht Teile seiner Lebensgeschichte auf Band, um sein Leben zu beschließen. Sie führt in seine frühe Kindheit zurück. Bereits im achten Lebensjahr hat Widmers Protagonist mit leibhaftigen Toten zu tun; denn der Ich-Erzähler wird in der gleichen Sekunde geboren, wie Herr Adamson stirbt – und dadurch mit ihm verbunden bis eben auch er selber stirbt. Ein hübscher und vielversprechender erzählerischer Gedanke.

Doch dann wird es wirr. Herr Adamson nimmt den Jungen mit durch eines jener Löcher, durch die die Toten hindurchgehen können, in das Reich der Zwischen- und Totenwelt. Hier tritt der kleine Junge eine Reise in eine schleimige, von Toten verstellte Welt an und landet plötzlich im griechischen Mykene. Ein Dorfpolizist bringt ihn auf dem Gepäckträger seines Fahrrades in Windeseile ins heimatliche Basel zurück. Zwei Tage dauerte das Abenteuer, das damit endet, dass die besorgten Eltern einen Kinderpsychiater aufsuchen.

Spätestens in dieser Phase schwummert es auch dem Leser im Kopfe: Er erfährt über eine Affäre Adamsons mit der Frau des Trojaentdeckers Schliemann, der jene Bibi entspringt, die wiederum als Spracharchäologin die Sprache der Navajos erforscht. Hier geht die Phantasie einmal mehr mit Urs Widmer durch.

Schade, die grundlegende Idee hat etwas: Der Tod ist eben nicht etwas, das auf uns an unserem Lebensende wartet, er ist unser Begleiter von Anfang an.

Fazit: Nur für eingefleischte Urs Widmer-Fans.

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