Hermann Hesse – “Das Glasperlenspiel”

Rating: ★☆☆☆☆ 

Es ist zweilfelsohne ein interessantes Experiment, wenn man sich nach über 30 Jahren noch einmal einem Buch widmet, das man als junger Erwachsener erstmals gelesen hatte.
Zwei Dinge will ich vor vornherein zugegeben: Ich war einst bekennender Hermann-Hesse-Leser, doch das Glasperlenspiel hat sich mir seinerzeit nicht erschlossen. Nun habe ich es als Hörbuch erstanden.

Wenn ich heute Hermann Hesse höre oder lese, so komme ich zu einem (vielleicht nicht) überraschenden Urteil: Hermann Hesse gehört meines Erachtens zu den am meisten überschätzten Schriftstellern des 20. Jahrhunderts.

Und in der Tat sah sich Hermann Hesse kurz vor seinem Tode von Spöttern und Kritikern umgeben, die seine Gärtnerseele und Blumensprache verhöhnten. Auch ihm selber waren wohl seine Elaborate peinlich: Kurz vor seinem 50. Geburtstag wohnte er heimlich einer Lesung seiner frühen Gedichte in Zürich bei – und ekelt sich vor sich selbst und der ganzen „hübschen Seichtigkeit“ und dem betulichen Kitsch und verlässt die Veranstaltung einmal mehr in Selbstmordstimmung und betrinkt sich maßlos.

Bei Hesse geht es fast immer um Suche, Initiation und (höherer) Aufgehobenheit. Das „Glasperlenspiel“ sollte offenbar die Kumulation seines Denkens und damit Höhepunkt seines Gesamtwerks werden. Zusammenhänge mit Goethe sind gegeben, wenn auch m. E. weniger mit dessen „Wilhelm Meister“, wie manche Autoren meinen, sondern vielmehr mit dem „Westöstlichen Divan“.

Pubertierende schrieben seine Zeilen ins Poesiealbum, empfindsame Hippies fühlten sich ebenso außenseiterisch wie Hesses „Demian“. Jahre später waren er beiden ebenso peinlich wie ihre Frisur oder Kleidung. Mit den Augen bzw. Ohren eines in Alter und (Lese-) Erfahrung fortgeschrittenen Menschen stellt sich auch dieses Werk als ein von Zweifeln geplagtes Fazit des Hesseschen Lebens selber dar. Es ist der Versuch einer Antwort auf die uralte Frage „wie man zur Welte sollte leben“ (Walther von der Vogelweide), sich also zu entscheiden zwischen einer „vita contemplativa“ und „vita activa“.

Hesses Roman beantwortet diese Frage nicht. Nachdem Josef Knecht ersterem Leben den Rücken gekehrt hat, um sich zweiterem zu widmen, stirbt er im kalten Wasser eines kalten Gletschersees. Aber selbst das ist keine Antwort.

Zu diesem prätentiösen Ansinnen passen denn auch die prätentiösen Stimmen des Hörbuchs – sie sind unerträglich. Bedeutungsschwanger und erhaben werden Seifenblasen produziert, die nicht etwa im Nirwana, sondern im Hier und Jetzt des vermeintlichen „Meisters“ zerplatzen. Am Ende bleibt der Leser bzw. Hörer ebenso ratlos und verwirrt zurück wie einst der stets lebenskriselnde und suizidgefährdete Autor.

Dass Hermann Hesse mit seinem Gesamtwerk einen beachtlichen Beitrag zur deutschen Literaturgeschichte des 20. Jahrhunderts geleistet hat, ist desungeachtet unbestritten.

Fazit: Ein bemühtes Werk ohne jedes Angebot, ohne jede Antwort auf jene ultimativen Fragen, mit denen sich Leser wie Autoren gerne beschäftigen.

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