Günter Grass – “Mein Jahrhundert”

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Nur selten lohnt die Synthese von Autor und Vorleser. In den seltenen Fällen, wo dies kongenial gelingt, bleibt der Nachwelt abgesehen vom Genuss gleichzeitig ein bedeutendes Zeitdokument erhalten – man denke nur an einige Tondokumente Thomas Manns.

Auch Günter Grass gehört zu diesen Ausnahmeerscheinungen. Seine überaus große Fabulierkunst ist uns allen gegenwärtig. In „Mein Jahrhundert“ leiht er darüber hinaus verschiedenen – oft bis zur Kenntlichkeit erfundenen – Menschen seine Stimme. Mal als Ich-Erzähler, mal als allwissender Autor, der die Brücke über Raum und Zeit schlagen kann, trägt Grass – oft mit einem gewissen Schalk (wie wir ihn auch von Walter Kempowski kennen) in der Stimme – seine Geschichten ruhig aber pointiert selber vor.

Der Titel ist dabei Programm: Vom Jahre 1900 bis zum Jahre 1999 erzählt Grass im jährlichen Reigen je eine Geschichte. Einhundert kürzere oder auch mal längere Erzählungen mit Bezug zu dem jeweiligen Jahr, spiegeln die historischen Begebenheiten eines Jahrhunderts wider, mal heiter, mal ernst, mal komisch, mal tragisch. Grass verwandelt sich in wechselnde Erzähler und Erzählerinnen, denen Geschichte widerfuhr, nicht unbedingt also immer Hauptakteure.

Auf diese Weise entsteht auf zwölf CDs von meist etwa 50 Minuten ein kontroverses Bild eines kontroversen, streitbaren und mörderischen Jahrhunderts. Das Hörbuch entstand 1999 aus einer öffentlichen Lesung von Radio Bremen im Deutschen Theater in Göttingen (was die gelegentlichen Hustenanfälle und dezenten Lacher im Publikum erklärt)

Fazit: Ein ganz großes, epochales (Hör-) Buch, das seinen Einzug in die Deutschstunde verdiente.

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Eine Antwort zu Günter Grass – “Mein Jahrhundert”

  1. Günter Grass ist ein bewundernswerter und erfolgreicher Autor. Es lohnt sich in jedem Fall das Hörbuch zu kaufen und in seine Geschichtenwelt einzutauchen!

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