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Angestoßen durch die überarbeitete Neuausgabe sämtlicher Maigret-Romane bei Diogenes habe ich begonnen, die mir noch unbekannten Titel in zeitlicher Reihenfolge zu lesen.
Der vorliegenden Titel stammt aus dem Jahre 1930 und bildet den vierten Band der Reihe.
Im ersten Maigret-Roman, „Pietr der Lette“ aus dem Jahre 1929 ist der Kommissar übrigens bereits 45 Jahre alt. Da der letzte Maigret aus dem Jahre 1972 datiert, müsste Jules da eigentlich schon 88 sein. Aber das nur mal so nebenbei. Offenbar hat Simenon zwischendurch eine Frischzellenkur für den Kommissar gemacht.
Doch nun zum „Treidler der Providence“. Wir befinden uns in Dizy an der Marne und einem Seitenkanal. Viele Schleusen in Mareuil-sur-Ay, Bisseuil, Tours-sur-Marne, Condé, Aigny sind notwendig, um Höhenunterschiede des Plateaus von Langres, jenseits dessen die Saone fließt und die Städte Chalon, Mâcon, Layon liegen, zu überwinden.
Abends trifft man sich im „Café de la Marine“, trinkt Rum. Die Treidler schlafen im angrenzenden Stall bei ihren Pferden. Es riecht nach Teer, Diesel, Ölzeug. Maigret weicht mehr als einmal auf in dem nicht nachlassenden Regen. Dann, beim Aufstehen, entdeckt einer der Treidler im Stroh versteckt eine weibliche Leiche.
Kommissar Maigret vom 1. Einsatzkommando der Kriminalpolizei übernimmt den Fall. Schnell gerät die Yacht „Southern Cross“ des abgetakelten englischen Colonels der Indischen Armee, Sir Walter Lampson und deren Besatzung ins Visier der Untersuchungen: Bei der Toten handelt es sich um die Frau des Colonels.
Bereits in diesem frühen Werk taucht das Simenonsche Verständnis für menschliche Verhaltensweisen, das über 40 anhalten wird, jenseits von Kategorien wie „gut“ oder „böse“ auf: „Eine reizende Frau. Was aber nicht das Gleiche ist wie eine Heldin. Die Lebenslust war stärker. Das müssen Sie doch verstehen (…) Aber das Leben mit seinen Gemeinheiten, seinen Kompromissen, seinen unwiderstehlichen Bedürfnissen ist nun einmal stärker.“
Und so nimmt die tragische Geschichte des Treidlers der Providence ihren Lauf.
Fazit: Ein düsteres frühes Werk, das wohl nicht zufällig immer mal wieder an Victor Hugos „Die Elenden“ erinnert.