Theodor Fontane – „Cécile“

Rating: ★★★★☆ 

Eine junge, attraktive Frau, ehemals Geliebte eines Fürsten – nannte man das damals nicht „Courtisane“? – , dann mit wohlsituiertem adeligen Oberst a. D. in Vernunftehe lebend, wird während ihres Aufenthaltes in Thale im Harz von niederadeligem Robert von Gordon hofiert. Am Ende zählen wir drei Tote. Das ist der Inhalt dieses ersten Romans Fontanes aus dem Adels- und Militärmilieu.

Von ihrer vermeintlich abgeschlossenen Vergangenheit als Geliebte eines Fürsten – das Wort „Lustschloss“ bekommt hier Bedeutung – wird die (nerven-?) kranke Cécile jedoch alsbald eingeholt. Ihr deutlich älterer Ehemann, Oberst von St. Arnaud, musste seiner Zeit wegen eines Ehrenduells seinen Abschied einreichen – eine weitere rechtlich Verfolgung des damals wohl schon verbotenen Duellierens fand offenbar nicht statt. Am Ende hat der schusssichere Militär gar zwei Leichen auf dem Konto – so stellte man einst klar, wer die besseren Argumente hatte.

In nahezu allen Gestalten des Romans zeigt sich ein Konflikt mit den preußischen Lebensbedingungen gegen Ende des 19. Jahrhunderts. St. Arnaud verbringt die meiste Zeit im Kasino beim Spiel, und von Gordon verplaudert viele Abende bei einem befreundeten Industriellen und beschäftigt sich ansonsten mit dem boomenden Seekabelgeschäft, ein Indiz für den Geschäftsgeist des emporkommenden Bürgertums, der einen Kontrast zum verblassenden Glanz des Adels darstellt – generell ein zentrales Thema des Fontaneschen Gesamtwerks.

Doch ganz sind die preußischen Zeiten noch nicht vorbei. Auch der weltbefahrene und moderne Ingenieur von Gordon kann nicht umhin, sich einem hergebrachten Ritual, einem Duell nämlich, zu stellen, in dem er fällt. Ein letztes Mal noch siegt der Adel.

Cécile gehört einmal mehr – ähnlich Effie Briest – zu den tragischen Frauengestalten Fontanes, die an den gesellschaftlichen Gegebenheiten ihrer Zeit zugrundegehen. Cécile von St. Arnaud verkörpert ein Frauenbild, das der Zeit, in der sie lebt, nicht mehr entspricht: Die schöne Dame, die von ihren Rittern verwöhnt wird und Huldigungen entgegennimmt – passé(e).

Leider ist das vom begnadeten Gert Westphal vorgelesene Hörbuch derzeit nicht verfügbar, sodass sich der Fontaneliebhaber – und nur für diesen eignet sich das Werk – mit dem dtv klassik Taschenbuch zufrieden geben muss.

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