Anna Seghers – „Der Ausflug der toten Mädchen“

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Nicht immer ist es uns vergönnt, Hörbücher zu erstehen, die vom Autor selber vorgelesen werden. In früheren Zeiten war dies Autoren schon aus technischen Gründen leider nicht möglich – wie gerne hätte ich Goethe einmal im Original gehört!

Doch nicht immer ist es eine gute Lösung, wenn der Autor selber vorliest. Wer als Autor keine gute Vortragsstimme hat, ist gut beraten, sich einen kongenialen Sprecher zu suchen.

Das vorliegende, von Anna Seghers selber vorgelesene Hörbuch, ist in jeder Hinsicht ein „Schatz“ der Zeitgeschichte (das Buch entstand 1943/44 im mexikanischen Exil).

Für mich ist Anna Seghers fest mit der DDR verbunden, in der sie seit ihrer Rückkehr aus der Immigration seit 1950 lebte. So war ich denn erstaunt, einen völlig unerwarteten Dialekt zu vernehmen, der für mich eher „rheinische“ Anklänge hat – und wohl seinen Ursprung aus Seghers Mainzer Kindheit hat.

Auch die Idee ist faszinierend: In Rückblenden in ihre Kindheit erlebt sich Anna Seghers parallel als Kind während eines Schulausfluges und zugleich als junge Erwachsene. Die kindlichen und „unschuldigen“ Freundinnen von einst werden kontrastiert mit den schuldig werdenden Frauen in der Zeit des Faschismus.

Die völlige Fassungslosigkeit über die möglichen Entwicklungen von sensiblen, schüchternen, verspielten Kindern zu gefühlslosen, opportunen und willfährigen Menschen habe ich so noch als nachfühlen (!) können – Heinrich Mann, Alfred Döblin und andere haben das auf andere, eher intellektuelle Weise vermittelt.

Fazit: Ein großartiges Zeitdokument und Muss für Menschen mit Interesse an der bislang dunkelsten und schrecklichsten Zeit dieses unseres Landes.

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