Daniel Kehlmann – „Die Vermessung der Welt“

Rating: ★★★★★ 

Gute Literatur sollte abgesehen vom „Bildungswert“ unterhaltsam und wenn möglich spannend sein. Daniel Kehlmann erfüllt alle drei Bedingungen.

Natürlich darf man sich als Leser fragen, wie viel von diesem Roman Wahrheit und wie viel Dichtung ist. Ich vermag das nicht zu beurteilen, will es auch gar nicht wissen. Wer das nicht auf die Goldwaage legt, wird bestens bedient.

„Die Vermessung der Welt“ ist ein „historischer“ Roman mit hohem Unterhaltungswert, in dem Kehlmann viel augenzwinkernden Humor beweist. Manche Schilderungen sind brüllend komisch, insbesondere dann, wenn Eigenarten der beiden Protagonisten, dem Mathematikgenie Carl Friedrich Gauß und dem Universalgelehrten und großen Naturforscher Alexander von Humboldt, liebevoll geschildert werden.

Im Zentrum steht ein Treffen der beiden 1828 in Berlin, auf einem Naturforscherkongress, für den Gauß nur sehr widerwillig sein Göttingen verlässt. Die zwei Großdenker haben sich beide auf ihre eigene Weise der Vermessung der Welt gewidmet, kommen sich aber nur zaghaft näher.

Der Roman widmet sich auf knapp 300 Seiten dem Leben und Werk der beiden allerdings nur skizzenhaft. Sehr kurzweilig erleben wir wichtige Stationen ihres Schaffens in einer Mischung aus Fakten und Fiktion: Humboldt auf seinen Exkursionen nach Südamerika, Gauß zerrissen zwischen der Welt der Zahlen und dem schnöden Alltag, in dem auch ein Genie Zahnschmerzen hat und sich mit Frau und Kindern herumplagen muss.

Die Komik des Romans beruht dabei nicht nur aus den ironisch beleuchteten Charakteren von Gauß und Humboldt, sondern auf der Spannung zwischen Größe und Lächerlichkeit.

Genau das hat der schwermütigen, selbstzentrierten, betroffenen deutschen Gegenwartsliteratur lange gefehlt: Ein Autor mit einem Buch, der sich und die Dinge nicht so bierernst nimmt. Dass Kehlmann es quasi nebenbei schafft, wissenschaftliche Themen mit zu verarbeiten, ehrt ihn einmal mehr.

Endlich mal wieder ein Buch, für das man bereit wäre, seine Nachtruhe zu opfern!

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