Bernhard Schlink – „Die Heimkehr“

Rating: ★★★☆☆ 

Gewiss, ich schätze Bernhard Schlink. Doch gehört es zu den wirklich schwierigen Dingen im Leben eines Autors, nach einem Welterfolg an eben diesen anzuschließen. Meiner Meinung nach ist Schlink das mit dem vorliegenden Titel nicht gelungen.

Im Wissenschaftsbereich gibt es den Begriff der „kumulativen Dissertation“, das heißt, dass ein Doktorand beantragen kann, anstelle einer Dissertation eine Sammlung verschiedener Aufsätze als Dissertation anerkannt zu bekommen. Und genau so empfinde ich den Roman „Die Heimkehr“: Eine Sammlung disparater Textfragmente, bei denen sich er Autor verzweifelte Mühe gibt, Zusammenhänge herzustellen und dem Ganzen einen Sinn zu geben.

Ohne Zweifel, der „Plot“ ist spannend gewählt, doch dann verirrt sich Schlink in seiner eigenen Geschichte. Viele Schriftsteller der deutschen Gegenwartsliteratur haben es bereits versucht, nach Martin Walser jüngst Pascal Mercier/Bieri: Der Roman im Roman. Dabei werden über lange Passagen Auszüge aus tatsächlichen oder erfundenen Büchern im eigenen Werk zitiert. Parallele Handlungsstränge entstehen, Zusammenhänge werden nach und nach mehr oder weniger plausibel hergestellt.

Die große unbeantwortbare Frage aber lautet: Wird das Werk dadurch auch spannender, interessanter oder gar besser? Oder sitzen Verlage und Leser geschickten Autoren auf, denen mit zunehmendem Alter die Kraft für einen eigenen Roman von über 300 Seiten fehlt?

Bernhard Schlink konnte diesem Trend, dem offenbar auch deutsche „Großschriftsteller“ verfallen sind, nicht widerstehen und hat nun seinerseits versucht, dieses Textprinzip in seinem Roman Die Heimkehr“ zur Anwendung gelangen zu lassen.

Kurz gesagt geht es um den Ich-Erzähler Peter Debauer, der die Ferien seiner Kindheit häufig bei seinen Großeltern in der Schweiz verbringt. Diese editieren und korrigieren als Nebenverdienst abends nach getaner Arbeit Heftchenromane. Eingearbeitete Korrekturbögen werden – sparsam wie die 50er Jahre waren – auf den Rückseiten als Kladden weiterverwendet, nicht jedoch ohne das Verbot auszusprechen, die Vorderseiten zu lesen. Doch was verboten ist, macht nicht nur Peterchen scharf.

Auf diese Weise entdeckt er Fragmente eines jener Groschenromane über die Heimkehr eines deutschen Soldaten aus sibirischer Gefangenschaft auf der Suche nach seiner Frau. Doch angekommen in seinem Haus – der Leser ahnt es – öffnet ein anderer Mann. Leider fehlen dann die folgenden Seiten.

Viele Jahre später erinnert sich Peter an diese Geschichte – und will nun deren Ende wissen. Dazu muss er dessen Autor finden. Doch diese Suche gestaltet sich alles andere als einfach. Wen wundert’s, wollen doch knapp 400 Seiten gefüllt werden!

Besonders das Ende ist m. E. arg konstruiert und unterlaufen Schlink dabei auch ein paar logische Schnitzer. Er findet seinen vermeintlichen Vater John de Baur in den USA als lehrenden Professor. Doch selbst wenn die Handlung in den 90er Jahren spielt, wäre dieser längst emeritiert.

Fazit: Für Schlink-Leser sicher unverzichtbar, insgesamt aber ein eher mühsames Werk, bei dem der „rote Faden“ nicht nur dem Leser ab und an verloren geht.

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