Henning Mankell – „Der Chinese“

Rating: ★★☆☆☆ 

Zugegeben: Wenn amazon einen neuen Mankell-Krimi ankündigt, klickte ich bislang sogar stets auf „Vorbestellen“. Warum ich das inzwischen nicht mehr tue, möchte ich etwas ausführlicher beschreiben.

Hennig Mankell versucht mit diesem Roman offenbar seine beiden bisherigen Handlungsorte (Schweden und Afrika) und persönlichen Interessen zu verschmelzen. Das mag aus seiner Sicht zwar konsequent erscheinen – aber wer Rosen bestellt, möchte keine Nelken, um es einmal bildlich aus Lesersicht zu sagen.

Und andererseits kann ein Autor seine (Kriminal-) Romane auch nicht dauerhaft nach dem gleichen Muster stricken. Irgendwann hat der Leser genug davon. Zum besseren Verständnis: Unterstellen wir einmal, Hennig Mankell würde es tatsächlich gelingen, konstant auf einem gleich hohen Niveau Kriminalromane zu schreiben. Würden wir dann all diese Bücher mit dem gleichen Interesse lesen?

Die Antwort ist „Nein!“ – weil der Mensch so gestrickt ist, dass er ständig einen neueren, größeren Impuls („Kick“), eine Steigerung also braucht. Wer jeden Tag die beste Schwarzwälderkirschtorte ganz Deutschlands aufgetischt bekommt, wird dennoch irgendwann passen und schlimmstenfalls gar einen Ekel gegen diese Torte produzieren.

Schon die „Tiefe“ (2005), Kennedys Hirn (2006) und „Die italienischen Schuhe“ (2007) vermochten nicht zu überzeugen und an die alten Erfolge anzuschließen. Was mich dabei am meisten gegen Mankell aufbringt, ist der ständige Versuch, künstlich Spannung aufzubauen, wo keine ist. So beginnt das Buch beginnt mit:
„Früh am Morgen des 13. Januar erreicht der Wolf ein kleines Dorf. Er bleibt stehen und nimmt Witterung auf. Irgendwoher kommt Blutgeruch … Am Waldrand beginnt der Wolf zu fressen. Es geht leicht, weil das Fleisch noch nicht gefroren ist. Er ist jetzt sehr hungrig. Nachdem er einen Lederschuh von einem Fuß gezerrt hat, beginnt er, das Bein von unten her anzunagen …“

Böser Wolf, doch für die Handlung trägt dieser leichte Lesergreuelversuch nichts bei. Auch die neue Höchstzahl von 18 bestialisch Ermordeten aus einem Dorf mit 21 Einwohnern erzeugt nicht automatisch Spannung. Das Ganz ist nichts mehr und nichts weniger als konventioneller Krimistoff.

Dass in einem parallelen Handlungsstrang Richterin Brigitta Roslin, die verwandtschaftlich mit den Mordopfern verbunden ist, ihre in die Jahre gekommene Ehe mit ihrem zugschaffnernden Ehemann aufarbeitet, ist auch kein Gewinn für das Buch, von dem auch einige „Großkritiker“ der Feuilletons meinen, dass es zu den schwächeren Werken Mankells gehöre.

Dabei hat Mankell sich dramaturgisch viel Mühe gegeben: Drei Handlungsstränge werden von ihm miteinander verwoben und über 140 Jahre (1863 bis 2006) und auf 603 Seiten als Roman umspannt.

Mankell muss sich m. E. in Zukunft entscheiden: Krimiautor oder politischer Autor. Beides in einem gelingt nur sehr wenigen. Und mit Verlaub, aus der Sicht der Literaturwissenschaften hat es zu einem „Romancier“ bei Hennig Mankell bei allen Mühen nie gereicht. Wohl war er viele Jahre lang unzweifelhaft ein hervorragender, fesselnder Kriminalautor, der dann später parallel weitere Handlungsstränge auf oder aus dem afrikanischen Kontinent zu Papier gebracht hat, denen aber nur mäßiger Erfolg beschieden war.

Doch noch kurz zum Hörbuch: Die auf 7 CDs und gut acht Stunden Vorlesezeit gekürzte Buchfassung wird von Axel Milberg, einigen Lesern auch bekannt als „Tatort“-Kommissar Borowski, oft auch schon Sprecher des Kommissar Wallander, gewohnt professionell vorgelesen.

Fazit: Irgendwann müssen wir Leser damit aufhören auch noch den 28. Brunetti, den 29. Wallander oder deren Stellvertreter im Amte lesen zu wollen. Das ist Zeitverschwendung. Da kann sich Milberg noch so mühen.

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