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Vielen ist das Buch „Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt“ bekannt, in dem Giovanni di Lorenzo den Altkanzler zu den verschiedensten Themen befragt. Vergangenes Jahr hat Reinhold Beckmann nun Ähnliches mit Loki Schmidt unternommen.
Herausgekommen ist dabei ein interessantes, wenn auch thematisch ganz anderes Buch wie bei di Lorenzo. Der Leser erhält eine Vielzahl von Informationen des wohl bekanntesten Ehepaares des Republik. Wer jedoch „Pikantes“ im Sinne eines „Enthüllungsjournalismus“ erwartet, verkennt die hanseatische Korrektheit der einstigen „First Lady“.
Stattdessen erhalten wir Einblick in die oftmals außergewöhnlichen Anforderungen an Helmut Schmidt und Loki, die besonders das Amt des Bundeskanzlers mit sich brachte. Doch niemals ist weder der Eine noch die Andere etwa stolz auf sich und seine Leistungen. Im Gegenteil, man nimmt sich weitaus weniger wichtig als mancher drittklassige Provinzpolitiker heute.
Keinesfalls wollte Loki Schmidt, geboren 1919 als Hannelore Glaser, trotz ihres engagierten und eigenständigen Lebens als „emanzipiert“ bezeichnet werden – Alice Schwarzer war ihr daher auch nur dem Namen nach bekannt. Und ein Vergleich beider Frauen verbietet sich – Loki Schmidt spielt in einer ganz anderes geistigen und moralischen Liga als eine Frau Schwarzer, die sich selbst inzwischen offenbar nicht einmal für die Rolle einer Berichterstatterin der „BILD“-Zeitung zu schade ist.
Selbstverständlich war Hannelore Schmidt viele Jahre für ihren Helmut da, wenn dieser nach einem 16-Stundentag nach Hause kam, hat für ihn gekocht, ihn ins Bett gelegt, wenn er fieberte. Schwäche zeigen oder greinen, das erlaubte sie sich nur, wenn sie alleine war, damit kann man den anderen doch nicht mit belasten, der hat ja selber genug Sorgen. Pflichtbewusst und hilfsbereit, ja, aber keinesfalls sentimental oder gar zimperlich, so war Loki Schmidt.
Wir lernen in ihrer Erinnerung andere Größen der Zeit kennen, Willy Brandt, Rainer Barzel, FJ Strauß, Herbert Wehner, doch nie wird aus dem Nähkästchen geplaudert – das verbietet der Respekt.
Wir erfahren viel über die Einschränkungen des Alters, Alltagswehwehchen, die selbstredend ertragen werden, das Durchhaltevermögen ist preußisch. An einen Gott glaubt sie nicht, wohl an eine höhere Ordnung, die diesen wunderbaren Planeten hat entstehen lassen, daran glaubt sie als Biologin und Botanikerin. Auch hier die hanseatische Aufgeklärtheit, gepaart mit der Toleranz , dass Religion anderen Menschen sicher durch zu helfen in der Lage sei. Ihr Glaube ist, dass der Mensch seinen Platz hier auf Erden so gut wie es geht ausfüllen sollte und alle Lebewesen gut behandelt.
Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit und bedingungsloses Vertrauen, das sei die Basis einer guten Ehe, sagt sie. Nein, Loki Schmidt war keine emanzipierte, sehr wohl aber eine bemerkenswerte, selbstständige, stets denkende und handelnde Frau, mit einer großen Lebensleistung und ohne sich selber je für wichtig gehalten zu haben. Und genau damit verdient sie uneingeschränkten Respekt.
moin, moin lieber Herr Heidtmann,
trefflich formuliert, meinen Dank –
eine wahrlich „große“ Frau ohne die Allüren der heutigen Personen, die alle meinen etwas zu sagen zu haben, und doch so wenig sagen – sich nur immer wieder ins Rampenlicht stellen mit immer neuen „uninteressanten“ Geschichten, damit die Presse etwas zu vermelden hat.
Als ich das Buch gelesen habe, hatten ich eigenartiger Weise immer ihre Stimme und Aussprache im Hinterkopf, und habe ihre Texte irgendwie auch so gelesen (schon komisch). Ich wurde zurück versetzt in meine Kindheit (auch wenn Familie Schmidt ein ganz anderer Jahrgang ist). Ich fand jedoch Passagen der Nachkriegszeit, der Umgebung, der Rezepte vom einfachen Essen der Norddeutschen Bevölkerung in der Zeit und manch andere Vertrautheit.
Es ist mir schon dadurch ein sehr wertvolles Buch geworden und ich habe jede Zeile aufrichtig genossen. Nach einer kleinen Pause mit anderer Literatur, bin ich nun bei einem anderen Buch mit ihr angekommen (auf einen Kaffee mit Loki Schmidt). Wieder etwas anders; doch bisher nicht minder interessant.
Wir müssen uns an Personen selbst der jüngeren Geschichte orientieren; denn unsere Gesellschaft wird stetig ärmer an Vorbildern.
Alles gute und herzliche Grüße
Hans-Werner Kleindiek