Walter Kempowski – “Heile Welt”

Rating: ★★★★★ 

Wie alle Romane Walter Kempowskis ist auch dieses Buch zum einem guten Teil autobiographisch. In diesem Werk beschreibt er seine Zeit als Dorfschullehrer in der norddeutschen Tiefebene (Breddorf?). Wer hier lebt und selber noch in eine solche Schule gegangen ist, wo verschiedene Jahrgänge „mehrzügig“ in einer Klasse zusammengefasst waren, wird diesem Buch besonders nostalgisch anhängen.

Selten ist das Landleben Norddeutschlands in den frühen 60er Jahren mit seinen wortkargen aber durchaus nicht unpfiffigen Charakteren so „heimelig“ beschrieben worden. Und selbstredend ist die heile Welt alles andere als dies.

Auch in diesem Buch bleibt Kempowskis Protagonist Matthias Jänicke  – „ohne h, aber mit ck“ (wieder einmal spielt Kempowski mit dem Namen seiner Figuren, denn dieser Dorfschullehrer ist wirklich zum „Jähnen“) stets ein Außenseiter und Eigenbrödler, der die Zeit mit völlig unaufregenden und etwas verklemmt wirkenden Annäherungsversuchen an das andere Geschlecht verbringt.

Es ist natürlich nicht erstaunlich angesichts Kempowskis bekannter Sammlerleidenschaft, dass er auch dieses Mal nicht nur (Kegelkugeln) sammelt, sondern stets auch ein präziser Beobachter der scheinbar heilen Welt ist.

Und ähnlich wie Siegfried Lenz (dessen Werk dem Kempowskis in diesem Buch am nächsten kommt) beschreibt Kempowski den Ausverkauf der behüteten ländlichen Welt und den beginnenden Siegeszug der Moderne.

Ein herrlich langsames Buch mit viel Humor.

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