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Der vorliegende knapp 500 Seiten starke Roman ist der Band IV der „Deutschen Chronik“ Walter Kempowskis.
- Deutsche Chronik 1: Aus großer Zeit (1978)
- Deutsche Chronik 2: Schöne Aussicht (1981)
- Deutsche Chronik 3: Haben Sie Hitler gesehen (1973)
- Deutsche Chronik 4: Tadellöser & Wolff (1971)
- Deutsche Chronik 5: Uns geht’s ja noch gold (1972)
- Deutsche Chronik 6: Haben Sie davon gewusst? (1979)
- Deutsche Chronik 7: Ein Kapitel für sich (1975)
- Deutsche Chronik 8: Schule (1974)
- Deutsche Chronik 9: Herzlich willkommen (1984)
„Tadellöser & Wolff“ erschien allerdings als Kempowskis erster Roman im Jahre 1971. Verfilmt wurde das Buch von Eberhard Fechner als Zweiteiler für das Fernsehen im Jahre 1975. Das von ihm selbst in seinem Hause im Herbst des Jahres 2000 in Nartum eingelesene Hörbuch enthält 13 CDs und hat eine Spieldauer von 14 Stunden und 25 Minuten.
„Alles frei erfunden!“ heißt es vor dem Beginn des ersten Kapitels, aber es ist unverkennbar, dass vieles in diesem Roman autobiografisch ist. Er umfasst die Zeit von 1939 bis 1945 und ist das Zentrum Kempowskis Chronik. Diese reicht insgesamt vom Jahre 1895 bis ins Jahr 1960, immer am Beispiel der eigenen Geschichte – ein beispielloses Unterfangen in der deutschen Nachkriegsliteratur.
Der Titel geht auf ein Wortspiel Kempowskis Vater zurück: Immer wenn etwas als gut, also tadellos empfunden wurde, sagte dieser: „Tadellöser & Wolf“ – in Anlehnung an die Rostocker Tabakwarenhandlung „Loeser & Wolff“. Alternativ bot sich auch „Gutmannsdörfer!“ an. Ging etwas daneben oder war misslich, dann wurde eine andere Firma verballhornt: „Miesnitz & Jansen“. Viele weitere Redewendungen seines Vaters begegnen uns immer wieder bei Walter (Walting) Kempowski: „Gut dem Dinge!“, „Ansage mir frisch!“, „Kinder, wie isses nur möglich!“
Der Roman „Tadellöser & Wolff“ setzt sich aus tausend Miniepisoden zusammen. Kempowski hat in diesem Roman seine später noch oft angewendete Collagetechnik erstmals eingesetzt. Durch eine Aneinanderreihung eigener Erlebnisse, Zitate, Reklameschriften, Gedichte, Schlager usw. entsteht eine für den Leser authentisch wirkende Szene. Dem subjektiven Empfinden des Autors werden dadurch zudem objektive Elemente hinzugefügt. Ein atmosphärisch dichtes Bild dieser Jahre entsteht. In seiner Familienchronik hat er diese Collage-Technik dann weiter zu hoher Perfektion ausgebaut.
Insgesamt – wie alle Werke Kempowskis – ein tragikomisches Buch deutscher Bürgerlichkeit im 20. Jahrhundert.