Walter Kempowski – “Uns geht’s ja noch gold”

Rating: ★★★★☆ 

In diesem Buch setzt Walter Kempowski seine persönlichen Erinnerungen von „Tadellöser & Wolff“ fort. Er beschreibt hier die Jahre von 1945 bis 1948. Es ist der Teil V seiner  „Deutschen Chronik„.

  • Deutsche Chronik 1: Aus großer Zeit (1978)
  • Deutsche Chronik 2: Schöne Aussicht (1981)
  • Deutsche Chronik 3: Haben Sie Hitler gesehen (1973)
  • Deutsche Chronik 4: Tadellöser & Wolff (1971)
  • Deutsche Chronik 5: Uns geht’s ja noch gold (1972)
  • Deutsche Chronik 6: Haben Sie davon gewusst? (1979)
  • Deutsche Chronik 7: Ein Kapitel für sich (1975)
  • Deutsche Chronik 8: Schule (1974)
  • Deutsche Chronik 9: Herzlich willkommen (1984)

Die Rote Armee hat Rostock besetzt. Nach Wochen der Plünderungen, Verhaftungen und Erschießungen, nach langen Zeiten des Hungers hat man es bei den Kempowskis ja noch „gold“: Immerhin nicht ausgebombt!

Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs erleben wir die Geschichte von Margarethe Kempowski, ihrem Sohn Walter und Großvater de Bonsac . Zwar kehrt der ältere Sohn Robert auch alsbald nach Hause zurück, doch Vater Karl ist im Krieg gefallen. Tochter Ulla lebt seit einiger Zeit in Dänemark. Im Jahre 1947 flieht Walter in den Westen, arbeitet bei den „Amis“ im PX-Laden. Doch als er im nächsten Jahr zurück nach Rostock kommt, wird er wegen Spionage verhaftet. Er hat Dokumente seines Bruders Robert, der weiterhin Verschiffungen organisiert, über die Reparationsexporte der Russen an die Amerikaner in Wiesbaden weitergeleitet. Das Ergebnis: Mutter und beide Söhne kommen für viele Jahre ins Zuchthaus, Walter und Robert nach Bautzen. Soweit zur Handlung.

Uwe Johnson hat einst die Vorstufe des Romans ,,Uns geht’s ja noch gold“ unbarmherzig begutachtet. Kempowski ist ihm gram, denn Johnson schreibt: „Solange das Buch in diesem Zustand ist, sollte dem Verfasser von einer Veröffentlichung abgeraten werden. Er kann seine Sache besser, als hier zu sehen ist.“

Der Kempowski-Leser Uwe Johnson hatte „Tadellöser & Wolff“ im Jahre 1971 gelobt. Gut sei „die Vorführung eines tatsächlichen Lebens, bei der die Entstellung durch ästhetische oder gar moralische Sinnprogramme vermieden ist“. Und tatsächlich können Kempowskis „Deutsche Chronik“‚ und Johnsons „Jahrestage“ sehr gut nebeneinander existieren.

Diese Sätze müssen Kempowski sehr getroffen haben. Allerdings gibt es auch einen Brief, in dem Kempowski bedauert, nicht doch mehr von Johnsons Kritik ins Buch übernommen zu haben, aber solche Souveränität konnte der damals noch keineswegs von Erfolgen beglückte Autor Kempowski mit seinen nur zwei Büchern (,,Im Block“ und „Tadellöser“) – nicht aufbringen.

Überhaupt war er nicht einfach nur enttäuscht, sondern über alle Maßen gekränkt, im Hader mit der Menschenheit, den Schriftstellerkollegen und den Verlagen überhaupt, wenn er sich nicht ausreichend geliebt und gelobt fühlte. Nur wer Kempowski etwas näher kennt, dessen Selbstironie bemerkt, weiß dies als verständlich und rührend zu werten.

Kempowski sagte einst von sich selber, dass er konservativ und liberal sei. Das stimmt im besten Sinne. Walter Kempowski hat große Teile der jüngeren deutschen Geschichte für uns „konserviert“. Auch die Bezeichnung “bürgerlicher Autor” trifft auch auf Walter Kempowski zu. Er war stolz, Sohn eines – wenn auch kleinen – Reeders zu sein. Selbst dieses Attribut hat man ihm absprechen wollen, sein Vater sei gar kein Reeder gewesen. Doch der Kritiker hatte die Rechnung ohne Kempowski gemacht: Das konnte er locker nachweisen!

Kempowski versteckte sich nie im “Elfenbeinturm” eines (später) bekannten Schriftstellers, der er gerne schon zu früheren Lebenszeiten geworden wäre. Er war – im Gegenteil – nahezu süchtig nach dem direkten Kontakt mit seinen Lesern. Ein Schriftsteller „zum Anfassen“, sozusagen. Und das war keine leere Phrase, sondern eine Praxis, auf die der Schriftsteller großen Wert legte. Sein Haus „Kreienhoop“ im niedersächsischen Nartum und die vielen Seminare, die dort stattfanden, war der beste Beweis dafür.

Max Frisch schrieb einst in seinen Tagebüchern: „Der Weise, der wirklich Höfliche, ist stets ein Liebender“. Walter Kempowski hat die Menschen geliebt, die er beschrieben hat, vielleicht, weil er selber eben dieser Liebe lange entbehrt hat.

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