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Eduard von Keyserling ist zu Unrecht etwas in Vergessenheit geraten. Der SZ gebührt die Anerkennung, mit der Reihe SZ-Bibliothek einige großartige Erzählungen und Romane aus der Versenkung wieder ans Tageslicht gebracht zu haben.
Eduard von Keyserlings Erzählstil und seine Motive erinnern an Theodor Fontane, bzw. an die um eine Generation jüngere Fortsetzung dieses genialen norddeutschen Schriftstellers. Dort, wo Fontane zum Beispiel im „Stechlin“ den Niedergang der alten politischen Ordnung beschreibt, führt von Keyserling diesen auf der gesellschaftlichen Ebene fort.
„Wellen“ – ein symbolträchtiger Titel in jeder Hinsicht – handelt von einer Adeligen, die sich in der Ehe mit ihrem Grafen eingesperrt fühlt und mit einem bürgerlichen Maler ein neues Leben beginnt.
Das Meer und das einfache Leben der Fischer bilden die Kulisse für die Erzählung, in der es bereits um die Selbstbestimmung der Frau und die überkommene Gesellschaftsordnung der Aristokratie geht.
Doralice Gräfin Köhne-Jasky und der Maler Hans Grill haben damit in der gehobenen Gesellschaft von Dresden einen Skandal produziert. Jetzt leben Hans und Doralice in einem unbenannten Badeort an der Ostsee bei dem Fischer Wardein. Nicht lange bleiben sie adeligen Sommerfrischlern verborgen. Während die Einen sie verteidigen, sind die Anderen empört.
Doch schon bald bemerkt Doralice, dass sie erneut in einem unsichtbaren Käfig geraten ist. Der junge Baron Hilmar Baron von der Hamm himmelt sie an und bringt sie in Versuchung, ihren Hans zu verlassen. „Er kann nichts dafür. Das wusste ich, als ich Sie sah, er wird nicht anders können und Sie – Sie können nichts dafür, dass Sie so schön sind.“ Doch bevor es dazu kommen kann, nimmt das Schicksal die Sache in die Hand.
Als Doralice ihren Mann auffordert, etwas dazu sagen, meint er nur:
„Was kann ich sagen, was habe ich für ein Recht? Das Recht, das du mir gegeben
hast, kannst du mir nehmen und dem anderen geben. Wie du es dem alten Herrn
genommen und es mir gegeben hast, anders ist es nicht.“
Von Keyserling arbeitet das Thema der „Amour fou“ in anderer Weise auf als einst Arthur Schnitzler dies in seiner „Traumnovelle“ (auch SZ-Bibliothek) tut. Und ist es Zufall, dass man sich auch an Goethens „Wahlverwandtschaften“ erinnert fühlt?
„Wellen“ liest sich zunächst wie eine leichte Sommergeschichte, die dann in einer Tragödie endet. Man bekommt trotz des eher zähen Beginns Lust, sich auch mit den anderen erhaltenen Werken dieses Erzählers zu beschäftigen.