Martin Walser – „Angstblüte“

Rating: ★★☆☆☆ 

Zugegeben, ich war viele Jahre ein großer Verehrer Martin Walsers, kein Buch, das ich bei Erscheinen nicht sofort gekauft hätte.

Walsers Werke beschrieben, ganz anders als Böll, den privaten Menschen im modernen  Nachkriegsdeutschland. Sein Thema war das Zusammenleben der beiden Geschlechter.  Seine Klientel: Die gehobene Mittelklasse, das ehemalige Bürgertum.

Seine Figuren lebten in neuen Werken, manchmal erst nach Jahren, oft leicht verändert, reifer wieder auf. Die Situation seiner handelnden Charaktere zeichnete sich, neben vor Lebensenergie strotzenden Antipoden, meist durch einen akuten Verlust an Lebensperspektive aus. Was sie dennoch weitermachen ließ, war die Hoffnung.

Walsers Kunst bestand in der Dichte der Gedanken, der präszisen Formulierung, der Lust an der deutschen Sprache, seiner sehr feinen Beobachtungsgabe.

Waren seine Werke einst voll von sublimen Andeutungen, deren letztendliche Interpretation ganz dem Lebensgfühl des Lesers gehorchten, so kommt sein Alterswerk ganz ohne Sublimation aus.

So wie man sagt, dass sich der Charakter des Menschen im Alter kristallisiere, so wird bei Walser deutlich, worum es ihm schon immer ging, nun jedoch ohne jegliche Umschweife und Zurückhaltung in Form oder Sprache.

Für das Machtspiel zwischen den Geschlechtern, sein zentrales Thema, zählt am Ende nur, wer gewinnt. Gewinnen heißt bei Walser im Alter, wer wen ins Bett bekommt. Wer dominiert, manipuliert wen am besten? Wer kalkuliert am emotionslosesten? Wer Gefühl entwickelt oder zeigt, hat verloren und fliegt aus dem Spiel. Deshalb nun nur noch Sex und keine  Liebe.

Die Liebesunfähigkeit, die Reduktion des Glücks auf den kurzen Moment des Orgasmus ist das letztliche (und bedauerliche) Fazit eines einst  begnadeten und brillianten deutschen Schriftstellers. Die Angst des alternden Mannes eben jenen körperlichen Akt nicht mehr zufriedenstellend vollbringen zu können, lässt ihn (Karl von Kahn) sich zum Deppen machen.

In wie weit Dichtung und Wahrheit miteinander verwoben sind, mag der enttäuschte Leser angesichts der Fotoveröffentlichungen eines nicht altern wollenden  braungebrannten Autors in Badehosen nur ahnen und wendet sich peinlich berührt und mit Grauen ab ob jener trost- und lieblosen neuen, alten Walsermännerwelt.

„In meinen Büchern kann ich schreiben, was ich niemals sagen würde. Das Schreiben ist ein Entblößungs-Verbergungs-Vorgang: Nur weil ich mich verberge in irgendeiner Figur, kann ich weit gehen.“

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