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Das wissenschaftlich aus dem zweiten thermodynamischen Gesetz abgeleitete Thema über die Zeit klingt verlockend – und hätte gewiss mehr hergegeben. Auch anderen Autoren ist so etwas gelungen, nicht nur Goethe und Thomas Mann, sondern nennen wir ruhig auch Patrick Süsskind oder Peter Hoeg.
Dass in Physik bewanderte Leser Daniel Kehlmann Fehler und zu wenig Recherche vorwerfen, ist das geringere Problem – auch Goethe lag naturwissenschaftlich oftmals heftig daneben.
Der entscheidende Unterschied: Kehlmanns ersten Bücher haben zu viel „Fantasy“ und keine Nachhaltigkeit. Kaum hat man sie gelesen, sind sie auch schon wieder vergessen – wohl auch ganz gemäß dem Interesse der Verlage nach Lesern als Konsumenten.
Wie schon in seinem Buch „Der fernste Ort“ geht irgendwann seine offensichtlich große Phantasie mit ihm durch – und das Ganze wird verschwommen und undurchsichtig – man möchte schreiben „unreif“. Der Grat zwischen intelligenter Erzählung und juveniler Albernheit ist bei Kehlmann schmal.
Dabei ist das Buch stellenweise durchaus spannend. Auch die Entwicklung des letztlich dem Wahn erliegenden Protagonisten Mahler ist schriftstellerisch gut gelungen. Ohne jeden Zweifel, Kehlmann kann schreiben!
Seien wir also geduldig und warten ab, was uns dieser junge, intelligente Autor noch zu bieten hat. Nach dem dritten thermodynamischen Gesetz geht Energie nie verloren. Die Frage ist, ob Kehlmann eine Sternschnuppe am Literaturfirmament ist oder sich zum deutschsprachigen Literaturzenit emporarbeiten kann. Er hätte unbestritten das Zeug dazu.
Die Gefahr, dass er dabei dem kommerziellen Literaturbetrieb erliegt und von diesem gleich einem schwarzen Loch angesogen und ausgestoßen wird, ist jedoch groß.