Diane Broeckhoven – „Ein Tag mit Herrn Jules“

Rating: ★★★★★ 

Auch wenn dieses kleine Buch vorgibt, ein Roman zu sein, handelt es sich auf den gerade 80 (kleinen) Seiten tatsächlich um eine Erzählung. Doch dies schmälert nicht seine Qualität.

Was ist das Besondere an diesem kleinen Werk? Bekanntlich haben die Niederländer, nicht nur was den Tod und das Sterben angeht, eine deutlich liberalerer Haltung zu manchen Themen und Dingen als andere Nationen. Diane Broeckhoven fällt es deshalb auch nicht schwer, Ehefrau Alice noch einen Tag und eine Nacht lang im stummen Dialog mit ihrem verstorbenen Mann Jules zubringen zu lassen.

Zeit genug, um Abschied zu nehmen und noch einmal alle wichtigen Stationen des gemeinsamen Lebens Revue passieren zu lassen. Manchen Leser mag die Beschreibung dieser – auch körperlichen – Nähe zum toten Ehemann schockieren. Doch für Alice ist diese Annäherung und dieser langsame Abschied wichtig.

Und genau darin liegt m. E. der besondere Reiz dieses Buches. In unserer Kultur ist der Tote tot und wird schnellstmöglich die Bestattungsunternehmen übergeben. Wir fühlen uns in Gegenwart von toten Menschen unwohl. Alice bricht mit dieser „modernen Tradition“. Sie entdeckt den Sinn der einstigen Totenwache wieder.

Das autistische Nachbarskind David, das ebenfalls keinerlei Furcht vor dem toten Herrn Jules hat und noch eine Partie Schach mit ihm spielt, bringt es schließlich auf den Punkt: „Herr Jules ist weg. Das ist die Hülle von Herrn Jules.“ Und nun erst tut Alice, was zu tun ist.

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