Marina Lewycka – „Kurze Geschichte des Traktors auf Ukrainisch“

Rating: ★★★★☆ 

Auf etwa 350 Seiten nimmt der Leser teil an der vermutlich (auto-) biographischen und – nehmen wir es vorweg – ausgesprochen tragikomischen Lebensgeschichte einer in Großbritannien lebenden ukrainischen Familie.

Die in der Tat sehr kurze Geschichte des Traktors findet sich in kleinen Episoden über das Buch verteilt wieder und bildet somit das erzählerische Rückgrat dieses Buches.

Viel interessanter als diese sind jedoch die wie zufällig eingestreuten und längeren Episoden aus der Lebensgeschichte der Familie Alexejewitsch. Rückblendenartig entwickelt Marina Lewycka die Familienchronik über drei Generationen. Wir nehmen teil an schier unglaublichen Erlebnissen in einer totalitären und unmenschlichen Welt, in denen persönliche Schicksale völlig bedeutungslos sind.

Was die Eltern über 60 Jahre zusammen gehalten und getrennt hat, erfährt die Erzählerin Nadesha nach und nach. Das Verstehen fällt ihr und ihrer Schwester Vera anfänglich schwer. Über vieles wurde der Mantel des Schweigens gedeckt. Über die schrecklichsten Ereignisse sind beide Schwestern nur lückenhaft informiert. In dem Maße, wie sie Schicht um Schicht aufdecken, wächst das gegenseitige Verständnis – auch für die Verhaltensweisen ihres gemeinsamen 84-jährigen Vaters, der partout eine durchgeknallte ukrainische Emigrantin heiraten will, die ihm zum Zwecke der dauerhafte Aufenthaltserlaubnis den Kopf verdreht und ihn nach und nach um seine Ersparnisse erleichtert.

Die Empörung der Schwestern (und des Lesers) über die Schamlosigkeit ihrer neuen Stiefmutter löst sich am Ende in Mitleid auf. Und es wird dann doch noch alles gut und versöhnlich. Das Chaos lichtet sich. Die Familie ist nun wirklich bei sich und im Westen angekommen.

Fazit: Ein ermutigendes Erstwerk besonders für Leser mit Interesse an ukrainischer (Familien-) Geschichte.

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