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Das Buch „Der Geliebte der Mutter“ ist nur bedingt das Pendant des danach erschienen „Buch des Vaters“. Es hat vermutlich biographische Anteile, die jedoch erheblich weiter verfremdet wurden, als dies im „Buch des Vaters“ der Fall ist.
Dabei hat Urs Widmer seiner „grenzenlosen“ Phantasie wieder einmal freien Lauf gelassen – ein untrügerisches Markenzeichen seiner Schreibkunst. Die Person der „Mutter“ hat nur in ganz groben Zügen Ähnlichkeit mit derjenigen aus dem „Buch des Vaters“. Der Leser erfährt sie in diesem Buch aus einem gänzlich anderen Blickwinkel.
Das Buch „Der Geliebte der Mutter“ ist nicht nur ein eidgenössisches Zeitdokument, sondern auch die erschütternde Liebes- und Leidensgeschichte einer Frau des 20. Jahrhundert – und aus diesen Gründen überaus lesenswert.
Das Buch ist dabei auf gar keinen Fall „frauenfeindlich“, wie manche Kritiken meinen. Mir ist nicht nachvollziehbar, wie es zu einer solchen Einschätzung angesichts des erschütternden Dokuments einer um Ihre große Liebe ringenden Frau und eines egomanischen Mannes kommen kann (der in diesem Buch als Mann und Mensch wahrlich alles als großartig beschrieben wird).
Urs Widmer hat spätestens mit diesen beiden biographisch geprägten Büchern seinen Platz unter den ganz großen deutschsprachigen zeitgenössischen Schriftstellern gefunden.