Ernest Hemingway – „Schnee auf dem Kilimandscharo“

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„Schnee auf dem Kilimandscharo“ ist eine knapp 40 Seiten lange Kurzgeschichte, die Hemingway im Jahre 1936 schrieb. Die deutsche Übersetzung erschien erst 1949, im Jahre 1953 wurde sie von Henry King mit Gregory Peck, Susan Hayward, Ava Gardner und Hildegard Knef in den Hauptrollen verfilmt und 1997 erschien das vom grandiosen  Otto Sander vorgelesene Hörbuch.

Die Geschichte handelt von dem Schriftsteller Harry, der in der ostafrikanischen Wildnis im Sterben liegt. Auf der Fotosafari hat er sich das rechte Knie an einem Dorn verletzt, und nun kriecht der Wundbrand das Bein hinauf. Das Auto ist defekt, ein Flugzeug kommt erst in einigen Tagen. Harry liegt im Sterben.

Während seine Frau und er auf das Rettungsflugzeug warten, kreisen seine Gedanken im Rückblick auf seine Vergangenheit und in der Gewissheit des nahenden Todes um sein vergeudetes Leben. Immer wieder taucht in diesen Rückblicken der Schnee als Bote des Todes auf. Die Gier kreisen bereits und eine Hyäne schleicht durch das Lager. Zum Schreiben bleibt ihm nun keine Zeit mehr. Er hätte schreiben sollen, als noch Zeit war. Doch stattdessen hat er ein bequemes Leben an der Seite der reichen Witwe Helen vorgezogen.

Harry „weiß, daß er sein Leben vergeudet hat“, er hat es „verschachert für Sicherheit, auch für Luxus“. Dadurch, dass er seine Begabung nicht mehr genutzt hat, „daß er sich selbst und das, woran er glaubte, verraten hatte, daß er soviel trank, bis die Schärfe seiner Wahrnehmungen litt, durch Faulheit, durch Trägheit, durch Snobismus, durch Hochmut und durch Vorurteil“ gerät er in eine tiefe Krise. Die Reise nach Afrika, „wo er in der guten Zeit seines Lebens am glücklichsten gewesen war“, sollte zu einem Neuanfang und gleichzeitig die Tage „des Nichtschreibens, des Luxus, jeder Tag dieser Existenz“ beendet werden. Die Safari sollte ihn weit weg von Gesellschaft und Politik zur Einfachheit zurückführen, sollte seine Instinkte, die in der Zivilisation erschlafft waren, erneut wecken.

Doch eine einfache Verletzung, die zu einem tödlichen Wundbrand führt, zerstört diese Möglichkeit des Neuanfangs. Im Sterben hat Harry eine Vision: Das rettende Flugzeug landet auf der Behelfspiste, nimmt ihn auf und startet zum Rückflug. Der Pilot nimmt Kurs auf den Kilimandscharo, wo er einst das Gerippe eines Leoparden entdeckt, der sich im Schnee verlaufen hatte und erfror.

„Dicht unter dem westlichen Gipfel liegt das ausgedörrte und gefrorene Gerippe
eines Leoparden. Niemand weiß, was der Leopard in jener Höhe suchte.“

Die autobiographische Züge der Kurzgeschichte sind augenfällig: Die Jagd gehörte zu Hemingways Passionen, zwei Jahre bevor er diese Short Story schrieb, war er in Kenia. Und es scheint fast so, als wäre Harrys Fiebertraum viele Jahre später zu Hemingways eigener Realität geworden.

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