Judith Schalansky – „Blau steht Dir nicht“

Rating: ★★½☆☆ 

Neugierig geworden durch ihr preisgekröntes Buch „Der Hals der Giraffe“ interessierte ich mich für die anderen bisher erschienenen Werke der Autorin.

Gewiss, es gibt immer eine Zeitung oder einen Sender, der etwas Positives über ein Buch veröffentlicht – und das sich dann quasi als Werbeaussage verwenden lässt. So wird auf dem Buchrücken das „Deutschlandradio“ mit dahingehend zitiert, dass es sich bei diesem „Matrosenroman um ein kulturhistorisch anspruchsvolles Buch mit philosophischen Tiefgang“ handele.

Doch weder ist das Buch ein „Matrosenroman“, auch wenn diese von Verlag oder Autorin gewählte innovative Gattungsbezeichnung es vorgibt, noch ist das Buch kulturhistorisch (auch ein schön zusammengeleimtes Wort) anspruchsvoll, noch ist es philosophisch. Es handelt sich offenbar vielmehr um Fingerübungen einer sich noch im Larvenstadium befindlichen jungen Autorin, die sich nach Kräften bemüht, bedeutsam sein zu wollen. Da hilft auch nicht, dass ein Martin Walser „das gekonnte Durcheinander des Nächsten und es Fernsten“ für „Poesie pur“ hält.

Leider versemmelt sie (der Suhrkamp Verlag?) ihre unverkennbar guten literarischen Ansätze mit unnötigen Manierismen und gedrechselten Strukturen, mit denen sie den stets bemühten Leser immer wieder  von der Klippe des Nachvollziehbaren stürzen lässt. Um den verschlungenen Wegen des Schreibprozesses folgen zu können, müsste man die Kommentarausgabe lesen.

Judith Schalansky erzählt in ihrem Romandebüt von einer (ihrer?) Kindheit am Meer, vom Aufwachsen an der gar nicht grenzenlosen Kindheit am weiten Meer  der Ostseeküste in der DDR. Die erwachsene Ich-Erzählerin kehrt von Reisen nach Russland und in die USA immer wieder in ihre alte Heimat zurück und spürt dem Geheimnis ihrer Liebe zum Matrosenanzug nach. Immer wieder gelingen ihr – ohne jede Einschränkung – dichte und anrührende Passagen. Ihr Talent ist deutlich.

Sie erzählt von ihrem Großeltern, die auf Usedom wohnen, von der Oie, von, Vineta, von Sergej Eisensteins Film ‹Potemkin›, von Coney Island, von Luftschiffen und –schlössern und zuletzt gar vom Greifswalder Wolfgang Koeppen.

Wie es zu diesem „Matrosenroman“ kommen konnte, erklärt sich dadurch, dass die ersten Kapitel des Romans offenbar im Jahre 2007 im Rahmen von Judith Schalanskys Diplomarbeit an der Fachhochschule Potsdam entstanden sind. Es ist ein Ergebnis eines typographisch-literarischen Projektes, das in einer kommentierten Ausgabe des jetzt erschienenen Buches  in einer Auflage von 7 Exemplaren produziert wurde.

Merke: Kein Künstler veröffentlicht seine Fingerübungen ohne Not. Selbst ein Thomas Mann verbot die Veröffentlichung seiner Tagebücher für mindestens 25 Jahre und notierte dazu „Without any literary value!“ Auch Judith Schalansky wäre klüger beraten gewesen, ihre Diplomarbeit für den öffentlichen Gebrauch kräftig zu überarbeiten. In der Tat, blau steht Judith Schalansky nicht.

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