Paolo Giordano – “Die Einsamkeit der Primzahlen” (Hörbuch)

Rating: ★★★★☆ 

Der im Jahre 2009 erschienene, preisgekrönte itanlienische Debütroman des 1982 geborenen Physikers Paolo Giordano vergleicht die Protagonisten Mattia und Alice mit Primzahlzwillingen, die sich sehr nahe kommen, doch nie berühren.

Die Handlung beginnt im Jahre 1983 und endet 2007. Was folgt, ist letztlich ein  mathematisch strenger Ablauf von zwei Adoleszenzgeschichten: Erniedrigungen in der Schulzeit, Nöte erwachender Sexualität, versagende Freundschaften, verlorene Beziehungen zu den Eltern, Einsamkeit in Ausbildung und Beruf.

Beide Hauptfiguren reagieren auf frühe Verletzungen der Kindheit – Alice hat ein verkrüppeltes Bein, Mattia trägt die Schuld am Verschwinden seiner Zwillingsschwester – mit Persönlichkeitsstörungen. Beide treten den Rückzug in sich selbst an. Doch das Verdrängte kehrt wieder: Alice leidet unter Bulimie; Mattia verstümmelt sich immer wieder selber. Um seiner autistischen Einsperrung zu entkommen, versucht Mattia, ein Mathematikgenie, alles um sich herum nach Zahlenverhältnissen zu ordnen und zu verstehen; Alice versucht, die Welt in fotographischen Bildern festzuhalten.

Die beiden lernen sich kennen – eine raffinierte Idee Giordanos, denn minus mal minus ergibt zumindest in der Mathematik Plus. Doch trotz ihrer Nähe werden die beiden nie ein Paar, es bleibt eine „Leere“.

Dieses einfühlsame Erstlingswerk von Paolo Giordano macht Hoffnung auf weitere Bücher des jungen italienischen Autors. Dass die sentimentale Geschichte weitgehend unsentimental erzählt wird, liegt vermutlich in der Natur des Mathematikers Giordano begründet und zumindest in der gekürzten Hörbuchversion (4 CDs, 305 Minuten) auch am nüchternen aber durchaus versierten und zu Autor und Werk passenden – einmal mehr möchte man „kongenial“ schreiben – Vortragsstil Daniel Brühls.

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