Siegfried Lenz – „Heimatmuseum“

Rating: ★★★★★ 

Das zeitlose Buch „Heimatmuseum“ von Siegfried Lenz erschien im Jahre 1978. Es wird Zeit, auch über diesen, bereits vor Jahrzehnten gelesenen Roman zu berichten.

Der Roman ist autobiographisch geprägt und schildert den Einfluss des Krieges auf Masuren, das zwischen die Fronten beider Weltkriege geriet. Masuren ist auch die Heimat des Ich-Erzählers Zygmunt Rogalla, der in der kleinen Stadt Lucknow (in der Realität Lyck) aufwächst. Er verlebt dort eine idyllische Kindheit und verbringt viel Zeit mit seinem Onkel Adam in dessen Heimatmuseum.

Die Welt der Masuren wir detailliert beschrieben. So lernt man etwas über das Federnschleißen, Teppichknüpfen, Barschefangen oder Holzflößen. Auch die Figuren sind originell, wie der Sträfling Lavrenz, der Teppichmeisterin Sonja Turk, der Meisterbeller von Motolten und der Vater Rogalla, einem Paracelsus der Lycker Gegend. Nach dem  mysteriösen Verschwinden seines Onkels Adam führt Zygmunt das Museum fort.

Als die Einwohner Lucknows durch die herannahmende russische Gegenoffensive gezwungen sind, Masuren zu verlassen, sind Friede und die Ruhe dieser Landschaft für lange Zeit zerstört. Auf der Flucht verliert Zygmunt alle Personen, die ihm je etwas bedeutet haben: Sein Kind, seine Mutter, seine Frau und Sonja Turk.

Zygmunt kann einen Teil der Exponate des Heimatmuseums auf der Flucht mit in den Westen nehmen. Er landet in einem kleinen Ort in Schleswig-Holstein, kann sich jedoch nicht von seiner Geschichte und seiner Heimat lösen. Viele Jahre sammelt er deshalb alles, was ihm zur Geschichte von Lucknow und Masuren in die Hände fällt. Als er miterleben muss, dass seine Sammlung von Revanchisten missbraucht werden soll, entschließt er sich, das in jahrzehntelanger Arbeit errichtete Museum niederzubrennen.

Wie so oft bei Lenz werden die Schicksale der Protagonisten in Rückblenden erzählt, nachdem Zygmunt mit durch die Brandstiftung hervorgerufenen Brandverletzungen ins Krankenhaus eingeliefert worden ist.

Lenz schreibt mit „Heimatmuseum“ keineswegs Heimweh-Literatur. Es ist vielmehr eine Lektion in Heimatkunde: „Heimat ist der Winkel vielfältiger Geborgenheit, es ist der Platz, an dem man aufgehoben ist, in der Sprache, im Gefühl, ja selbst im Schweigen aufgehoben.“ Und: „Ein Land ist erst dann verloren, wenn man sich nicht mehr daran erinnert.“

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Eine Antwort zu Siegfried Lenz – „Heimatmuseum“

  1. Der Roman „Heimatmuseum“ kann in vielerlei Hinsicht faszinieren. Zunächst die wunderbare Sprache, auch wenn einem nicht alle Wörter eingängig sind. Viele „Erlebnisse“ werden detailliert und unkonventionell beschrieben. Im Verlaufe des Romans kommt man gut in die Gegend und in die Denkweise der Bewohner hinein.
    Ein sehr lohnendes Stück Literatur!
    M.J. Scherm-Markow

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