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Kleines Quartformat, große Schrift, knapp 60 Seiten, drei „Stories“ – mehr hat es nicht auf sich mit Ferdinand von Schirachs Buch aus dem Jahre 2011. Der Titel entspricht gleichzeitig der dritten Geschichte.
Tonalität und Plotaufbau sind inzwischen hinlänglich bekannt. Der Autor bleibt sich als kühl-distanzierter Erzähler und seiner dezidierten, minimalistische Darstellung treu. Wie einst amerikanische Krimiautoren schreibt er in bester Tradition kurz, knapp und lakonisch. Denn das ist Ferdinand von Schirachs Markenzeichen: Die Erzählhaltung und der literarische Stil.
Von Schirach gibt möglichst wenig preis von den juristischen Fällen, die erzählerisch bearbeitet und möglichst neutral geschildert werden – und von denen wir nie wissen, was davon fact und was fiction ist.
Die drei Geschichten beschäftigen sich einmal mehr der vermeintlichen Unausweichlichkeit des Schicksals. Wir begegnen Menschen, deren Leben aus den Fugen geraten ist, und die fast ohne Zutun und eigenen Willen in etwas hineingeschlittert sind und wie in Trance handeln. Das ist das verbindende Element all seiner Erzählungen.
Es geht Ferdinand von Schirach nicht in erster Linie darum, seine Leser auf die Folter zu spannen. Auch geht es nie um die klassische Krimi-Frage: „Who dunnit?“ Sein Anliegen ist es vielmehr, einen Tathergang zu verstehen und hernach präzise zu schildern: Wie konnte es dazu kommen? Und was sind die Motive des Täters?
Darin ähnelt er wohl nicht zufällig dem großen, wenn nicht größten Kriminalschriftsteller aller Zeiten, Georges Simenon. Wie er fragt er, was einen scheinbar normalen Menschen dazu bringt, alle moralischen und rechtlichen Grenzen zu überschreiten und eine Tat zu begehen, die zwar ein Verbrechen, aus Sicht des Täters aber logisch und zwingend ist, vielleicht eine psychische Notwehr, vielleicht sogar eine Form der Befreiung.
Genau wie Simenon urteilt von Schirach – der vermutlich auf das „von“ ebenso wenig wert legt wie sein Protagonist von Tohrberg – nämlich nie.