Peter Handke – „Versuch über den Stillen Ort“

Rating: ★☆☆☆☆ 

Lange Jahre hatte ich die Lektüre Peter Handkes Bücher verweigert. Doch nun dieser Titel: „Versuch über den Stillen Ort“. Stille Ort erfreuen sich in dieser turbulente Zeit zunehmender Beliebtheit. Mancher gestresste Manager bucht deshalb einen „Retreat“ im Kloster oder Shrein. Hat Handke, der stets zu Fuß unterwegs ist, hier etwas Neues anzubieten?

Doch bei Peter Handkes „Stillem Ort“ handelt es sich keineswegs um die stille Lichtung im Walde, einen Friedhof oder die Oase der Ruhe im hektischen Weltentrubel. Er beschreibt nichts weniger als das klassische „Häusl“, „Häuserl“ oder „Heiserl“ – ob mit Herzen drin oder ohne – das Scheißhaus, das Abort, den Abtritt, also.

Man muss in der Tat wohl österreichischer Schriftsteller sein, um über solch einen trivialen Ort literarisch anspruchsvoll, einfühlsam und großbuchstabig auf knapp 100 Seiten hochpreisig für 17,90 Euro deliberieren zu können.

Vom bäuerlichen Plumpsklo des Großvaters bis zur japanischen Friedhofs- oder Tempeltoilette, der Autor beschreibt seine stillen Örtchen als Zuflucht, Asyl, Versteck – eben „Ab-Ort“. Denn das lateinische aboriri will ver- oder entschwinden. Hier entschwindet der Mensch den Blicken der Anderen, zieht sich zurück und ist nur noch mit sich selber eingeschlossen. Zugegeben, an diesen Ort hat sich noch kein anderer Schriftsteller so dezidiert herangewagt, selbst ein Martin Walser nicht.

Begonnen hatte Handke seine „Versuche“ 1989 mit dem „Versuch über die Müdigkeit“, ein Jahr später mit dem „Versuch über die Jukebox“, bevor er mit dem „Versuch über den geglückten Tag“ 1992 die Trilogie vorläufig abschloss.

Dieser vierte Versuch hat vergleichsweise schon etwas Anrüchiges, wenngleich Handke dem Leser den Akt der Ausscheidung an sich gottlob komplett und dezidiert ausspart. Immerhin!

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