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Insgesamt liegen inzwischen sechs Tagebücher vom Walter Kempowski vor.
Bei „Culpa“ handelt es sich um Kempowskis Tagebuchnotizen aus den Jahren 1978 bis 1993, die sich ausschließlich auf den Entstehungsprozess seines Monumentalwerks, der Geschichtscollage „Echolot“, beziehen. Zwischen diesen 15 Jahren liegen Phasen der Euphorie und der Verzweifelung, der tiefen Erschöpfung und Resignation – bis er endlich mit dem fertigen Werk die allerhöchste Anerkennung seines Lebens bekommt:
„Ein Bißchen Stolz? Freunde? Daß dies nun anerkannt wird, das ist es.“
Kempowskis Aufzeichnungen gestatten einen intimen Einblick in die Werkstatt des
Schriftstellers. „Culpa“ verzeichnet jede einzelne Phase der sich wandelnden
Konzeption, bis die endgültige Form der Komposition feststand.
Mehr als zwei Jahrzehnte lang hat Walter Kempowski dann letztlich an seinem zehn Bände mit insgesamt etwa 9000 Seiten umfassenden „kollektiven Tagebuch“ des Zweiten
Weltkriegs wie ein Berserker gearbeitet. In „Culpa“ beschreibt er den langen Entstehungsweg der ersten vier Bände, die nur den Januar und Februar des Jahres 1943 umfassen.
Die Aufzeichnungen des Tagebuchs sind chronologisch geordnet, jeder Tag ergibt ein Kapitel. Der erste Eintrag jeden Tages stammt aus dem Bulletin von Adolf Hitlers Leibarzt Theodor Morell. Die letzten Einträge sind den Notizen Heinrich Himmlers und dem Kalendarium der Ereignisse im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau von Danuta Czech entnommen.
„Damals hatte das Dritte Reich nach innen und außen den Höhepunkt seiner Macht erreicht und war im Begriff, ihn zu überschreiten […] – es ist überraschend, wie oft sich in Notizen und Briefen aus dieser Zeit schon die Frage findet: Ob das gut geht? Man hatte das Gefühl, daß der Bogen überspannt war: Und genau hier setze ich mit dem Echolot ein.“
Zusätzliche Tagebucheinträge stammen von Kempowskis Mitarbeiterin Simone Neteler, die ein hübsche Kontrastbild aus der Außenperspektive bieten.