Vicki Baum – „Rendezvous in Paris“

Rating: ★★★★★ 

Vicki Baum – eigentlich Hedwig Baum (1888 – 1960) – hat Klassiker des modernen
Unterhaltungsromans verfasst, „Menschen im Hotel“ beispielsweise. „Rendezvous in Paris“ ist ihr erster Exil-Roman in Los Angeles; der Roman wurde anlässlich ihres 125. Geburtstages gerade neu aufgelegt.

Gute Literatur spiegelt immer auch ein Bild der Zeit wider. In vier Tagen wird das Leben mehrerer Personen aus den 1920er Jahre vorgestellt. Die Akteure sind Evelyn Droste, junge Gattin eines Berliner Landgerichtsrates, der amerikanische Orangenverkäufer Frank Davis und Evelyns Ehemann, Kurt Droste.

Mit 27 Jahren ist Evelyn Droste vom Leben im Allgemeinen und vom Ehealltag mit zwei Kindern im Besonderen überfordert. Sie ist merkwürdig antriebsarm, nahezu apathisch. „Es war ein kleines Ich, überaus alleinstehend und ein wenig einsam; eines, das sich vor vielen Dingen ängstigte, aber doch auch etwas tapfer war, insofern, als es viel schwieg, viel verschwieg und sich nie beklagte.“

Ihr Mann steckt mitten in einem langwierigen Mordprozess und hat deshalb wenig Zeit. Frank Davis reist durch die europäischen Länder und versucht deren Märkte für kalifornische Orangen zu öffnen. Sein ehrgeiziges Ziel für Frankreich: Jeder Franzose soll innerhalb eines Jahres morgens ein Glas frisch gepressten Orangensaft trinken.

Seine Ehe mit seiner Frau Pearl in den USA ist „eine ziemlich anstrengende Angelegenheit.“ Und Frank kann auch auf seinen langen Geschäftsreisen nicht ohne Frauen leben: „Eine Woche ohne Frau macht mich krank“, pflegt er seinen Freunden anzuvertrauen, die es auch meist so halten.

Auf einer Feier lernt er Evelyn kennen. Am nächsten Tag in Paris angekommen, lädt er sie ein, ihn dort am Wochenende zu besuchen. Und die phlegmatische Evelyn willigt wie willenlos aber nun hellwach ein und begibt sich unter dem Vorwand, am Wochenende eine Freundin auf dem Lande zu besuchen, umgehend nach Paris.

Frank „schien in keiner Weise zu verstehen, wie ungeheuerlich es war, dass sie ihre Ehe hinter sich gelassen hatte, ihren Mann, ihre Kinder, ihre Vierzimmerwohnung in der Düsseldorfer Straße, ihr gesamtes Leben und Sein.“ Am Gare du Nord angekommen, „wurde Evelyn um viele Jahre älter und weiser und erfahrener.“

Doch es kann nicht sein, was nicht sein darf: „Morgen fahre ich zurück, dachte sie. Aber zugleich wusste sie mit einer neuen und fremden Deutlichkeit, dass sie nicht mehr zurückkonnte.“  Und so nimmt die Tragödie ihren Lauf.

Das handwerklich Besondere dieser ansonsten eher unscheinbaren Geschichte ist die Erzählperspektive: Abwechselnd wird jeder der Tage dreimal erzählt, jeweils aus der Perspektive einer der drei Hauptprotagonisten: Evelyn, Kurt und Frank. Das allein verdient den fünften Stern.

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