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Thule, das war immer ein mythischer Ort irgendwo im äußersten Norden. Die Römer verstanden unter Thule etwas, das nördlich der Orkney-Inseln lag. Ob damit die Shetland-Inseln gemeint waren? Thule wurde einst auch als Name für Island verwendet. Und noch heute gibt es den Ort Thule auf Grönland. Offenbar benutzten antike Schriften Thule als Bezeichnung für verschiedene Orte im äußersten Norden Europas.
Ultima Thule, somit der nördlichste Landpunkt der Erde, so nannte man einst Spitzbergen, die zu Norwegen gehörende nördlichste Inselgruppe im Polarmeer. Die raue, vom ewigen Eis geprägte Gegend bietet die Kulisse für ein Leben im – wahrsten Sinne – Grenzbereich. Es sind menschenleere Bilder einer trostlosen Einsamkeit, bei denen man sich einmal mehr wundert, wo und wie Menschen es noch am entlegensten und unwirtlichsten Ort der Welt aushalten können.
Simone Sassen bereist als Fotografin seit dem Jahre 1979 gemeinsam mit Cees Nooteboom die Welt. Meist schreibt Nooteboom die Texte oder zumindest ein Einleitungsessay, so wie auch in diesem Buch.
Auf Einladung des norwegischen Außenministerium besuchen die beiden zusammen mit Journalisten anderer Länder den äußersten Norden Norwegens: Tromsø, Spitzbergen, Hammerfest, Kirkenes. Man wollte den internationalen Journalisten offenbar zeigen, welche klimatischen und politischen Entwicklungen sich in dieser vegetationslosen Gegend abspielen: Der fortschreitende Klimawandel und die russischen Ansprüche auf den Meeresboden unter dem Nordpol waren wohl doppelter Anlass.
Das Buch gliedert sich in fünf Teile:
- Nach Norden per Flugzeug (Fotos)
- Eine Reise nach Ultima Thule (Essay)
- Schiffsreise nach Pyramiden (Fotos)
- In der verlassenen Bergbaustadt Pyramiden (Fotos)
- Die Rückfahrt (Fotos)
Der Betrachter sieht beeindruckende Bilder einer kalten, kargen, eintönigen und unwirtlichen Landschaft: Fjorde, Berge, Treibeis auf grauglänzendem Wasser. Der Großteil der ausgewählten Bilder sind der ehemaligen russischen Bergbausiedlung „Pyramiden“ gewidmet, die vor wenigen Jahren aufgegeben wurde. Fluchtartig scheinen die einst 1600 Bewohner die Industrieanlagen, ihre Wohnungen und die Stadt verlassen zu haben. Zurück bleibt eine endlose Schrotthalde am Ende der Welt.
„Ein kommunistisches Pompeji ohne Leichen. … Als ob eines Tages die Pest ausgebrochen wäre, so liegt alles da. Gebäude leer, Kulturpalast leer, der große, freie Platz mit dem Leninstandbild leer, das Schwimmbad leer.“