Pierre Bost – „Ein Sonntag auf dem Lande“

Rating: ★★★☆☆ 

Der in Deutschland eher unbekannte französische Autor Pierre Bost war in der Zwischenkriegszeit ein in Frankreich bekannter Romancier. Dieses Buch aus dem Jahre 1945, das sich als Roman ausgibt und den wesentlich bezeichnenderen Originaltitel „Monsieur Ladmiral va bientôt mourir“ trägt, wurde von Bertrand Tavernier im Jahre 1984 verfilmt.

Die gesamte Handlung des Romans spielt an einem einzigen Sonntag. Ein Familientreffen auf dem Lande. Die Hauptfigur Urbain Ladmiral, ein alternder Maler, einst hochdekoriert und in jungen Jahren äußerst erfolgreich, lebt mit nun sechsundsiebzig in einem Haus auf dem Lande. Alles ist ihm zur vertrauten Gewohnheit geworden.

Jeden Sonntag bekommt er Besuch von seinem Sohn Gonzague – der von seiner Frau jedoch nur Edouard gerufen wird – und dessen Familie. Man isst und trinkt, die drei Kinder langweilen sich, man macht Siesta. Bis vor einem halben Jahr hat der Vater noch Gonzague und seine Familie besucht, das ist ihm inzwischen zu viel geworden.

So wie Marcel Proust einst zur Rezeption von Musik schrieb, dass man dasselbe Musikstück nicht mehrmals identisch hören könne, weil die Erfahrung früheren Hörens dies verhindere, so wird auch die Gleichförmigkeit der Sonntagsbesuche der Familie des Sohns nur durch banale Kleinigkeiten unterbrochen, verletzte Kinderhände zum Beispiel.

Überhaupt hat dieser kleine Roman viele Parallelen zum Werk Prousts über die „Suche nach der verlorenen Zeit“: Auch Bost geht es um die vergehende und die vergangene Zeit – und die damit verbundene Vergänglichkeit, die Ladmiral nicht wahrhaben will. Stur beharrt er zum Beispiel darauf, dass sein Heim fußläufig „acht Minuten vom Bahnhof entfernt“ liege, was zwar einst gestimmt haben mag, nur dass er inzwischen eher zwanzig von Haustür zum Bahnhof braucht, und er die Züge verpasst. Das ist für ihn nicht hinnehmbar, so dass er schlicht und empört behauptet, die Uhren gingen falsch. Die Familie widerspricht ihm aus Rücksicht nicht.

Ähnlich wie die Werke Prousts fordert auch dieses kleine Buch die Geduld des Lesers heraus – es passiert scheinbar so gar nichts, während die Zeit jedoch langsam aber unaufhaltsam vergeht. Unterbrochen wird die scheinbar stehen gebliebene Zeit der Siesta, als Ladmirals Tochter Irène unangemeldet hereinwirbelt, einige Unruhe stiftet und alsbald wieder verschwunden ist.

Am Abend, als er endlich wieder allein ist, schaut Ladmiral zum Himmel: „Wie schön die aufkommende Nacht doch war. Die Farben waren bezaubernd, perlweiß und leicht granatrot, mit einem Band in Mandelgrün, das so gerade gespannt war, als wäre es mit der Reißfeder gezogen. Man würde es nicht wagen, das zu malen.“

Gewiss nur ein Buch für geduldige Leser.

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