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Schreiben wir es vorab: Die Hörspielbearbeitung (ISBN:3895849812) dieses weltbekannten Buches von Hermann Hesse mit Manfred Zapatka, Dieter Mann, Cornelius Obonya uvam) des Hörverlags aus dem Jahre 2002 verdient aus meiner Sicht ohne jeden Zweifel fünf Sterne. Der Hörverlag hat wieder einmal weder Kosten noch Mühen gescheut. Mindestens zwanzig Sprecher sind hier am Wirken, die akustischen Einspielungen passen hervorragend, die Hörspielbearbeitung dieser hr2-kultur- und radiobremen-Produktion durch Valerie Stiegele ist hervorragend.
Doch ist es nicht das Ziel dieser Rezension, allein die Realisierung zu loben, auch das Werk soll beachtet werden.
Denn es ist nun mehr als 30 Jahre her, dass ich als junger Mann den „Steppenwolf“ erstmals las, galt er doch in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts als Kultbuch. Hesse erlebte gerade seine Renaissance.
Heute bin ich selber in dem Lebensalter als Hesse den „Steppenwolf“ schrieb und – manch Leser dieser Rezension wird es nicht gerne vernehmen – ich halte dieses Buch in großen Teilen für überbewertet.
Wir dürfen davon ausgehen, dass der Roman viele autobiographische Anteile enthält: Hesse / Haller lässt eine psychisch kranke Frau und drei Kinder zurück, heiratet Ruth Wenger (m. E. das Vorbild der sinnlichen Hermine), lässt sich wieder scheiden, sucht und findet sich nicht zurecht im Leben.
Geplagt von Selbstmordgedanken, dem Sehnen nach bürgerlicher Sicherheit einerseits und dem Leben eines Bohemien andererseits, verfällt Hesse / Haller in tiefe Depressionen. Alkohol und Drogen lösen die tiefe innere Zerrissenheit nicht.
Die Bekanntschaft mit C. G. Jung hatte gewiss Einfluss auch auf dieses Werk gehabt, das in besonderer Weise die innere „Seelen-Landschaft“ zum Inhalt hat. Und so gerät der Steppenwolf zum Roman der persönlichen Lebenskrise Hermann Hesses.
Dass Hesse 1946 den „Nobelpreis für Literatur“ für sein Gesamtwerk erhielt, nimmt nicht weg, dass die deutsche Literaturkritik der 50 und 60er Jahre einen Großteil seines Werks mE zu Recht als „kitschig“ abtat. Auch der Hesse-Boom Ende in den USA der 1960er Jahre sollte besser nicht als Garant für die literarische Qualität des „Steppenwolfs“ herbeigezogen werden. Jeder Autor hat Sternstunden und dunkle Tage, nicht jedes Werk gelingt. Und man muss als Leser nicht jeden Stuss, den jemand produziert, der sich für einen begabten Autor hält, gut finden. Man darf Stuss auch Stuss nennen.
Marcel Reich-Ranicki schreibt dazu so passend in seinen Memoiren:
„Ich habe ihn, nicht ganz freiwillig, dreimal gelesen: In den dreißiger Jahren war ich entzückt, in den fünfziger Jahren enttäuscht, in den sechziger Jahren entsetzt.“
Fazit: Eine ernüchternde (Wieder-) Begegnung mit einem wunderbaren Hörbuch eines erschreckend dürftigen literarischen Werks und einer erschreckenden Lebensperspektive.