Yangzom Brauen – „Eisenvogel“

Rating: ★★★☆☆ 

Gewiss, erzählte Geschichte kann spannend sein. Das haben andere Autoren und deren Familiengeschichte immer wieder bewiesen. Sicher, Tibet ist weiterhin ein spannendes Thema. Dann handelt das Buch zudem noch von drei Frauen aus Tibet. Und zu guter Letzt ist die Enkelin / Autorin arrivierte junge Schauspielerin: Dieser Mix hat die Ingredienzien zum Bestseller.

Das, was Yangzom Brauen in diesem Buch zusammengestellt hat, ist die Geschichte ihrer tibetanischen Familie, insbesondere ihrer Großmutter (der tibetanischen Nonne) Kunsang und ihrer Mutter Sonam, die später den Schweizer Ethnologen Martin Brauen heiratet.

Das hätte insgesamt ein interessantes Unterfangen sein können. Und ohne Zweifel erfährt der Leser einiges über das weithin unbekannte Tibet und die systematische Zerstörung dieser Kultur durch die Chinesen. Dass in dieser tibetanischen Gesellschaft nicht alles eitel Sonnenschein war, kommt am Rande auch vor, wenn Yangzom Brauen zum Beispiel über adelige tibetanische Familien schreibt oder die erbärmlichen Lebensumstände am Rande der Existenz beschreibt. Das Leben im Einklang mit der Natur und tiefem Glauben muss eben nicht immer erstrebenswert sein – das wird im Westen gerne idealisiert.

Die 400 Seiten haben besonders in der zweiten Hälfte eindeutig Längen. Die Geschichte der Großmutter und Mutter in Tibet und hernach im indischen Exil beschrieben wird, gehören eindeutig zu den die interessanten Teilen des Buches. Der westliche Werdegang von Enkelin, der Schauspielerin Yangzom Brauen, ist hier hingegen aus meiner Sicht wenig interessant und fehl am Platze.

Allerdings wirkt das ganze Unterfangen schriftstellerisch oftmals recht unbeholfen. Man muss als Leser sich dabei schon für den Informationsgewinn durch dieses Buch entscheiden und vom literarischen Anspruch absehen, will man dem Werk schlussendlich etwas abgewinnen können. Kurzum: Wer also große Literatur erhofft, wird enttäuscht, wer einen Einblick in die tibetanische Kultur erhalten möchte, wird hier durchaus fündig.

Am Ende bleibt immer mehr der Geschmack eines eher mediokren Buches, das durch geschicktes Product Placement, bei dem die drei Frauen (dem Zuschauer konnte die Großmutter schon leid tun, die – nicht nur mangels Sprachverständnis – offenbar keinerlei Bezug zu einer solchen Veranstaltung hatte) auch durch verschiedene Talk Shows tingelten, künstlich in den Markt gedrückt wurde.

Die drängendste Frage aber ist: Wo war das Lektorat?

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