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Auch wenn sich dieses Buch von der Zielgruppenansprache eindeutig an die postemanzipierten Zeitgenossinnen der 50er und 60er Geburtsjahrgänge richtet, habe ich durchgehalten. Mit Gewinn. Immerhin bin ich vielen alten Bekannten wieder begegnet. Erinnern Sie sich noch an Adalbert Dickhut? Das war der mit der Fernsehserie „Turnen mit Adalbert Dickhut“ – aus der Reihe „Am Samstag Nachmittag zu Hause“. Danach kam meist „Lassie“, da hat man dann schon ein Stück Adalbert Dickhut, der mit Jungs in pluderigen Wollturnhosen und den unsäglichen Armeeturnschuhen Bodenturnübungen veranstaltete, in Kauf genommen.
Doch zurück zum Buch. Claudia Seifert gebührt das Kompliment mit sieben weiteren Autorinnen ein umfassendes Dokument der erlebten (hauptsächlich) 50er Jahre aus Sicht der damals heranwachsenden Mädchen zusammengestellt zu haben.
Es war eine ereignisreiche, wenn auch keinesfalls einfache Periode deutscher Gesellschaft in West und Ost (dieser duale Fokus ist ein weiterer Vorzug dieses Buches), als aus dem Krieg heimgekehrte Väter, selber in autoritärer Umgebung groß geworden, nun ihre Lebenseinsichten und -weisheiten auf ihre Kinder anwandten.
Wir erleben Kinder, wie sie von Eltern und Lehrern, mit nicht bewältigter Nazi-Vergangenheit „windelweich“ geprügelt werden. Wir erkennen jene unerträglichen Aussagen und Sprüche wieder, die keinen Widerspruch duldeten. Es wird dem Leser bewusst, welch ein Unterschied sich bis heute zum Positiven entwickelt hat, wo Kinder angehört werden und ein Mitspracherecht in vielen Dingen haben (was die Sache für Eltern heute allerdings keinesfalls einfacher macht).
Deutlich wird dem Leser noch einmal diese (Nachkriegs-) Zeit des Mangels und Verzichts ohne Zentralheizung, Waschmaschine, Kühlschrank und Staubsauger oder andere Segnungen der modernen und heute selbstverständlichen Technik vor Augen geführt. Dass das Augenmerk der Autorinnen dabei auf die Rolle der heranwachsenden Frauen liegt, stört auch den männlichen Leser kaum.
Eines aber ist in kaum einem anderen Buch je so deutlich beschrieben geworden: Diese Nachkriegsgeneration (Stichwort „Gnade der späten Geburt“) ist vom Faschismus, dem zweiten Weltkrieg und den entsetzlichen Folgen beider viel stärker beeinflusst worden, als sie sich selber vermutlich je bewusst war.
Fazit: Geeignet vor allem für alle Leser, die selber in den 50er und 60er Jahren groß geworden sind. Sie werden vieles wiederentdecken, sich erinnern und vielleicht neu bewerten.