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Die Literaturwissenschaft gehört bekanntermaßen nicht zu den exakten Wissenschaften. Und die Grenzen zwischen Roman, Novelle und Erzählung sind oft fließend.
Dieses, in einem großen Schriftsatz gesetzte, kleine Buch von Jürg Schubiger mit gerade einmal 100 Seiten gibt sich als Roman aus. Ein kleiner Roman also.
Die Protagonistin heißt kurz L. Das „L.“ steht ganz klein für Laetizia, lateinisch die Freude, die Fröhlichkeit. Doch L. ist alles andere als das.
Die Syntax Jürg Schubigers ist gewöhnungsbedürftig. Die Sätze sind klein, kurz, fast so abgehackt wie L. vom Leben. Der kleine Anlass einer umgeworfenen Teeschale auf dem handgewobenen Teppich beendet die erste längere Beziehung.
Das Buch titelt „Die kleine Liebe“. Ein Titel als Programm. Denn auch das Leben und die Liebe von L. sind klein. Ein reduziertes Ich in einem reduzierten Leben. Alltägliche Befindlichkeitsprosa wie wir sie in Deutschland zum Beispiel von Wilhelm Genazino kennen. Modern. Oder post-modern? Oder vielleicht gar ein bisschen existenzialistisch nachgehaucht? Tout se vaut? Eine „Fremde“ aus der Schweiz? Befremdlich allemal. Nicht angenehm zu lesen.
Autismus bezeichnet eine angeborene, unheilbare Wahrnehmungs- und Informationsverarbeitungsstörung des Gehirns, die sich bereits im frühen Kindesalter bemerkbar macht, ein abweichender Informationsverarbeitungsmodus, der sich durch Schwächen in sozialer Interaktion und Kommunikation sowie durch stereotype Verhaltensweisen und Stärken bei Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Intelligenz zeigt.
Ist Jürg Schubiger ein autistischer Roman gelungen? Das wäre ihm dann ähnlich hoch anzurechnen, wie einst Martin Suter, als er seinen ersten erfolgreichen Roman über Alzheimer schrieb. „Wer weiß?“ und „Wie gesagt.“