Rating:
Es ist das Jahr 1929. Georges Simenon ist verzweifelt. Bisher hat er nur mit mäßigem Erfolg Erzählungen und Groschenromane unter fünfzehn Pseudonym veröffentlicht. Er zögert, mit einem schwierigeren oder gar ernsteren Genre anzufangen.
Er ist mit seiner kleinen Yacht „Ostrogoth“ unterwegs und sitzt in einer Hafenkneipe, schaut dem Treiben zu – und plötzlich, mit wenigen Pinselstrichen hat er seinen Kommissar Maigret entworfen: Eine mächtige, unbewegliche Statur mit Pfeife und Melone auf dem Kopf, einen dicken Überzieher mit Samtkragen.
Wenige Tage später ist sein erster Maigret-Roman fertig: „Maigret und Pietr der Lette“
Schon in diesem ersten Roman verfolgt Simenon die „Theorie vom Riss“, nach der „in jedem Missetäter ein Mensch steckt, aber auch und vor allem ein Spieler, ein Gegner, und auf ihn hat es die Polizei abgesehen (…) Aber er suchte, erwartete, belauerte vor allem den Riss. Mit anderen Worten: den Augenblick, in dem hinter dem Spieler der Mensch zum Vorschein kommt.“
Und genau so endet dieser erste Roman. Maigret schließt sich mit dem Täter in ein Zimmer ein. Man trinkt zusammen viel Grog. „Vielleicht wäre es übertrieben zu behaupten, dass bei vielen Verhören herzliche Beziehungen zwischen der Polizei und demjenigen entstehen, den sie zu einem Geständnis bringen soll. Aber fast immer stellt sich, sofern es sich nicht gerade um einen üblen und brutalen Menschen handelt, um eine gewisse Vertrautheit ein.“
Wenn Maigret am Ende dem Täter seinen Revolver überlässt, damit dieser seinem Leben selber ein Ende setzen kann, so ist dies ein eher seltenes Ende eines Kriminalromans, entspricht aber ganz der Theorie vom Riss: „Endlich ein Knall. Er leerte sein Glas mit einem Zug.“
Fazit: Ein spannender erster Kriminalroman mit dem Kommissar Maigret, der hier bereits seine charakteristischen Züge erhalten hat, die ihn für nahezu 100 Geschichten auszeichnen sollten.