Daniel Kehlmann – „Ruhm“

Rating: ★★★★★ 

Daniel Kehlmann hat bereits mit anderen Werken gezeigt, dass mit ihm als deutschsprachigem Nachwuchsschriftsteller zu rechnen ist.

Mit seinem „Roman in neun Geschichten“ legt er nun nach. Ob es Kehlmann an Zeit für einen „richtigen“ Roman gemangelt hat und er auf Drängen seines Verlags diverse „Fingerübungen“ zu einem Ganzen zusammengeknüpft hat, wer vermag das schon zu sagen?

Ganz gleich, herausgekommen ist dabei ein lesenswertes Büchlein, das den Leser allerdings etwas ratlos hinterlässt. Ja, man sieht sich gemüßigt, angesichts dieses Kaleidoskops oder Panoptikums das Buch ein zweites Mal staunend und verwundert zur Hand zu nehmen, um die willkürlich wirkenden Zusammenhänge verstehen zu wollen.

Die Naturwissenschaften haben es Kehlmann angetan, das hat er spätestens in „Die Vermessung der Welt“ bewiesen. In diesem Konvolut finden wir sie nun wieder und entdecken uns vermeintlich in einem Paralleluniversum. Sofort fällt einem die „Heisenbergsche Unschärfenrelation“ ein, nach der das Beobachtete sich allein durch das Beobachten verändert. Manchmal will es scheinen, als ob man in sein eigenes Spiegelbild einträte: „Manchmal schien es einem, als wäre man ein anderer.“ (Vierte Geschichte „Der Ausweg“). – „Die Selbstbeobachtung macht wirr. Kein Mensch ähnelt sich selbst von außen gesehen.“

Auch bestürmen den Leser bei der Lektüre Gedankenblitze an Titel wie „Das Sein und das Nichts“ (Sartre) – denn das Sein wird immer wieder in Frage gestellt. Oder an „Don`t look now“ (deutsch: „Wenn die Gondeln Trauer tagen“ von Daphne DuMaurier) – wo der Protagonist sich aus der Ferne in seinem eigenen Sarg vorüberfahren sieht. Oder an „Eyes wide shut“, Kubricks Verfilmung von Arthur Schnitzlers „Traumnovelle“; denn die kommt einem ebenso in den Sinn wie einst die Geschichten aus „Küsschen, Küsschen“ (Roald Dahl).

Und so taumelt der Leser Kehlmann gleich durch Zeit und Raum – und selbst wenn Albert Einstein dabei körperlos und grinsend vorbeischwebte, wen würde das noch wundern? Dem Leser wird dabei ganz „blümerant“ und mancher – nicht erst im fortgeschrittenen Alter – mag sich fragen, ob er den Zusammenhang von der einen zu der anderen Geschichte verstanden bzw. richtig memoriert hat. Alles hat mit allem zu tun – und alles ist im Flusse.

Bleibt noch die Frage nach dem Titel. Auch hier dürfen wir rätseln.

Fazit: Ein verwirrendes Buch, anspruchsvoll und verspielt zugleich, auf jeden Fall aber besonders lesenswert.

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