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Bernhard Schlink ist in wenigen Jahren zum Erfolgsautor geworden. Waren seine „Selbs“-Romane eher noch der (Massen-) Gattung Krimi zuzuordnen, erfuhr er mit dem „Vorleser“ den Aufstieg in die literarische Oberklasse und so etwas wie Weltruhm. An einen solchen Erfolg ist thematisch und schriftstellerisch nur schwer anzuknüpfen.
Die Vergangenheit spielt in Bernhard Schlinks Romanen eine zunehmende Rolle. Wenn er sich auf der Suche nach einem neuen Thema in diesem Buch der „RAF“ annimmt, ist das zumindest gewagt.
Als hochintelligenter und belesener Schriftsteller fällt es ihm nicht schwer, dramaturgische Anleihen bei anderen Klassikern zu machen. Man kann, wenn man will, Gorkis „Sommergäste“ entdecken oder gar „Bei geschlossenen Türen“ von Jean-Paul Sartre. Die Reduzierung der Handlung auf ein Wochenende gereicht dem Kammerspiel perfekt! So weit so gut.
Doch leider ist nicht nur der Schluss „gehudelt“ (wie manche meinen), sondern gerät ihm das ganze Werk m. E. überaus plakativ. Gleich, ob arrivierter Zahnlaborinhaber, Nachwuchsterrorist, verwöhnte Tochter, alte Jungfer, Anwalt oder ältere Schwester, für die Zeichnung seiner Charaktere hat Schlink einen Spachtel genommen, wo er solche einst mit feinstem Pinsel ausmalte. Gut und böse, Lebensträume und Lebenslügen ergeben einen schwarz-weißen Kontrast, der die 256 möglichen Graustufen außer Acht lässt.
Nein, mit diesem Roman wird Bernhard Schlink weder dem Phänomen Terrorismus noch dem 68er-Jahre-Roman gerecht. Das haben andere, wie zum Beispiel Uwe Timm, besser recherchiert und beschrieben. Für einen Abdruck im „Stern“ würde es reichen, doch das entspricht nicht Schlinks wirklichem Niveau. Wir vermuten einmal mehr den Druck des Verlags auf seinen Autoren, um jedes Jahr mit einem neuen „Best Seller“ auf dem Markt zu erscheinen. Das hinterlässt Spuren.
Fazit: Bedingt lesenswert, für bekennende Schlink-Leser natürlich trotz allem ein Muss.