Michael Kumpfmüller – „Nachricht an alle“

Rating: ★★☆☆☆ 

Auch Autoren haben – wenn sie etwas taugen – so etwas wie einen „USP“, ein unverwechselbares Alleinstellungsmerkmal, das sich aus ihrer Sprache, ihrer Syntax, ihrem Duktus, ihrem Sujet usw. ergibt. Michael Kumpfmüllers Texte sind daran zu erkennen, dass sie sich auf Grund ihrer Erzählstruktur dem Leser nur quälend erschließen.

Schon Hampels Fluchten war m. E. ein völlig überbewerteter Roman, so dass ich „Durst“ ausgelassen habe. Doch da „Nachricht an alle“ laut Verlagswerbung angeblich „die Politik wieder zurück in die Literatur“ bringen sollte, habe ich einen erneuten Versuch gewagt. Jeder Autor hat zumindest eine zweite Chance verdient.

Vergleicht man diesen Roman mit zum Beispiel Kurjuweits wesentlich schmaleren Politikroman „Nicht die ganze Wahrheit“, dann fällt Kumpfmüller dagegen deutlich ab. Das Experimentieren mit zu vielen Erzählperspektiven (ein dramaturgisch ungebrochener aktueller Trend besonders bei Kriminalromanen) beweist zwar, dass er sein Handwerk beherrscht (damit gewinnt man Preise), hinterlässt aber desorientierte Leser.

Kumpfmüller ist insgesamt nicht nur ein beunruhigendes Buch über die Situation moderner europäischer Gesellschaften gelungen, sondern auch ein extrem unruhiges Buch, dem der rote Faden zu fehlen scheint. Irgendwann laufen dann doch die Fäden zusammen, doch wirken der Anschlag auf den Protagonisten Selden, die Selbsttötung einer durchgeknallten Aktivistin, die verschiedenen Frauen und Männer in Seldens Entourage fragmentarisch und isoliert. Ein „flirrendes Portrait“ (Bucheinband) in der Tat, das an zerrissene Träume nach zu opulenten Mahlen erinnert.

Fast schon als irreführend könnte man die Einleitung bezeichnen, in der Protagonist Selden eine SMS seiner Tochter bekommt, bevor diese mit einem Flugzeug abstürzt. Diese Thematik (als „Donnerschlag“ in Klappentext bezeichnet) ist nur marginal bedeutsam für die weitere Handlung – hätte aber mehr hergegeben.

Damit kein Missverständnis entsteht: Schreiben kann Kumpfmüller. Doch wie schon in anderen Fällen gilt auch hier, dass weniger mehr gewesen wäre.

Fazit: Begabt allemal, lesbar nur bedingt.

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