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Inzwischen ist es eine liebe Gewohnheit geworden: Zu den Sommerferien schenke ich meiner Frau immer den neuen Brunetti, dieses Mal mit dem Titel „Auf Treu und Glauben“. Nach ihr darf ich das Buch dann auch immer lesen.
Verlässlich wie immer ist Brunetti missgestimmt aber keinesfalls depressiv über die zunehmende Verkommenheit des italienischen Staates. Überarbeiten tut er sich auch in diesem Band nicht. Schwitzen muss er trotzdem, denn es ist unerträglich heiß in der Lagunenstadt.
Ansonsten erleben wir personell die üblichen stereotypen Ingredienzien. Man nehme:
Signora Elettra: Sie hackt sich wie immer blumenbewehrt, sekundenschnell und ebenso kühl wie illegal in die Computer von Banken, Telefongesellschaften und Behörden, um Zusammenhänge für Brunetti ein wenig zu erhellen, der selber immer noch zu doof ist, einen PC zu bedienen.
Vice-Questore Patta: Alle ärgern sich mal wieder über diesen unfähigen Chef und seinen ihm ergebenen Adlatus Tenente Scarpa nebst tumben Sergente Alvise.
Die Schwiegereltern: Statt des Conte Falier muss dieses Mal seine Frau Donatella Commissario Brunetti bei seinen Recherchen aushelfen.
Brunettis Frau Paola: Sie schwelgt weiter bei und mit Henry James.
Die Kinder: Raffi und Chiara haben die Phase des Marxismus zur Erleichterung ihrer Eltern nun hinter sich gelassen, der Umweltschutz rangiert nun vorne.
Vianello: Meist sitzen Brunetti und Vianello zusammen beim Kaffee oder trinken einen „Spritz“ (das ist nun mal wirklich neu!) und essen Tramezzini. Dieses Mal hat Donna Leon als Nebenschauplatz zum Haupthandlungsstrang Vianellos Tante ausgesucht, die ihr Geld zu einem dubiosen Wahrsager trägt.
Familie Brunetti bereitet sich ansonsten auf den gemeinsamen Sommerurlaub in den kühlen Tiroler Bergen vor. Doch daraus wird für den Commissario nichts. Dafür sorgen eine Leiche und dubiose Machenschaften am Tribunale.
Alles plätschert leise und – schon wegen der großen sommerlichen Hitze – unaufgeregt dahin. Doch wer sich auf die Brunetti-Romane einlässt, der darf auch keine nervenzerspanende Spannung erwarten – und das ist gut so, denn wer will im Urlaub schon Nervenkitzel, den hat man ja zunehmend und hinreichend im Job! Das Ende ist dann einmal mehr reichlich konfus und konstruiert. Man hat den Eindruck, die Autorin stand unter Zeitdruck.
Und so gerät auch dieser 19. Brunetti letztlich zu einer „Yearly Soap“. Wenn Donna Leon einst das Zeitliche segnen sollte, kann ein versierter „Ghost Writer“ die Geschichte mit den o. a. Ingredienzien ohne Weiteres noch viele Folgen weiterspinnen.