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Bereits Ecos Zeitgeistroman, das „Foucaultsche Pendel“ stellte die Weltgeschichte von Mittelalter und Neuzeit als Produkt okkulter Machenschaften dar.
„Der Friedhof in Prag“ handelt gleich von mehreren Verschwörungen, und zwar aus der Sicht eines Verschwörers, der eine Verschwörungstheorie in Umlauf setzt. Das klingt anspruchsvoll und spannend – ist aber faktisch wohl nur Ersteres.
In den literaturtheoretischen Debatten der achtziger Jahre steuerte Umberto Eco, damals noch Professor für Semiotik, ein gewichtiges Argument gegen die These bei, Texte seien unendlich ausdeutbar: Mit dieser Behauptung würden Texte mit der Welt verwechselt.
Während die Welt tatsächlich grenzenlos, also auch unendlich ausdeutbar sei, könnten endliche Texte das nie sein. Und deshalb wollte Eco die Grenzen der Interpretation neu ziehen: Man solle aufhören, die Welt als Buch zu lesen, aber auch damit, Bücher wie Welten zu behandeln. Einfacher gesagt: Fiktionen seien Modelle, beschränkt und handlich; die Welt, die sie zu begreifen helfen, bleibe immer größer und ungreifbarer als alle Modelle der Fiktion.
Grundlage seines neuen Werks sind offenbar die sogenannten „Protokolle der Weisen von Zion„, einer Hetzschrift gegen das Judentum, die 1903 in Russland erschien, vermutlich auf Betreiben des Geheimdienstes. Diesem Pamphlet zufolge sollen sich maßgebliche jüdische Repräsentanten einst im Geheimen getroffen haben, um sich über die Grundsätze künftiger Weltherrschaft auszutauschen.
Eco erzählt die Geschichte dieses schon 1921 nachweislich als Fälschung erkannten Dokuments und stellt uns ihren Erfinder vor. Dabei ist das Buch weniger ein Roman, sondern eine Art erweiterter Zettelkasten, etwas, das einem irgendwann auf die Nerven geht.
Eine wichtige Leseanweisung sind die „Unnötigen Hintergrundinformationen“ ganz hinten im Anhang des Buches. Dort erfährt man, dass tatsächlich kein Protagonist, außer der Hauptfigur Simon Simonini, erfunden wurde! Davon kann sich der Leser im Internet selber überzeugen.
Eco legt mit diesem Buch die Latte für den Rezipienten einmal mehr sehr hoch: Ein Leser, der die Geschichte Europas zwischen 1830 und 1900 und die „Protokolle der Weisen von Zion“ nicht kennt, kann mit diesem Werk – das mE nicht nur die formalen Kriterien eines Roman kaum erfüllt, sondern auch gegen das grundsätzliche literarische Gebot, den Leser nicht zu langweilen, verstößt – leider nur sehr wenig anfangen.