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Immer wieder kommt es vor, dass zum Schluss einer Betriebsführung auf unserem Bioland-Betrieb ein Besucher sagt: „Das ist ja alles schön und gut und sehr ökologisch, aber mit deinen kleinen Gemüsebeeten, und so viel Arbeit, kannst Du die Welt ja auch nicht ernähren!“ Das ist dann immer der Punkt, wo die Diskussion noch mal so richtig losgeht: Die industrialisierte Landwirtschaft sieht so effektiv aus – aber das ist eine riesige Propagandalüge.
Die Wahrheit ist: Die Agrarindustrie belastet die Umwelt, verseucht Böden und Trinkwasserressourcen mit Pestiziden und Düngemitteln, bekommt hohe Subventionen aus Steuermitteln, quält Nutztiere, verbraucht unwiderbringliche fossile Ressourcen, schadet dem Klima, vernichtet Arbeitsplätze und ländliche Kultur und beansprucht große Futterflächen in Übersee. Mit sehr viel „input“ an Energie und Rohstoffen wird ein gar nicht so beeindruckender „output“ produziert.
Das Buch „Food Crash“ des Ökobauern und früheren Naturland-Vorstands Felix zu Löwenstein fasst den gegenwärtigen Stand dieser Agrardiskussion sehr gut zusammen. Viele Aspekte werden gut lesbar beschrieben, wie die z.B. die Hungerproblematik, Erosion und Fruchtbarkeitsverluste, der große Flächenbedarf der Fleischindustrie, „Tank oder Teller“, ernährungsbedingte Zivilisationskrankheiten und Überernährung oder die Verluste von Lebensmitteln durch Verderb oder Wegwerfen. Übernutzte Ressourcen, verschwenderischer Umgang mit Lebensmitteln und die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen können zum Zusammenbruch des globalen Ernährungssystems führen.
Alle Themen sind gut recherchiert und die Argumente mit vielen seriösen Quellen belegt.
Als neuen Weg schlägt der Autor eine ökologische Intensivierung der Landwirtschaft vor. Damit meint er nicht den Ausbau des kontrolliert-biologischen Anbaus im europäischen Sinne, sondern weltweit angepasste, regionale Lösungen, die die jeweilige Ressourcen optimal nutzen, ohne viel Input an Kapital und Chemie zu benötigen. Bäuerinnen und Bauern sollen so ein würdiges Auskommen haben.
Die meisten Menschen in der Welt werden von vielen hundert Millionen Kleinbauern ernährt, und es ist wichtig, dass diese unterstützt und beraten werden, statt ihnen durch „landgrabbing“ für die Agrarindustrie die Existenzgrundlage zu entziehen. Es werden Beispiele angeführt, die Mut machen, und auch politisch umsetzbare Vorschläge gemacht.
Wer die Diskussion in Zeitschriften und kritischen Verbänden verfolgt hat, wird im vorliegenden Band nicht unbedingt sehr viel Neues entdecken. Aber dem Autor gelingt es, die vielen einzelnen Themen zu einem großen Ganzen zusammenzuführen, und dabei verständlich zu argumentieren. Das Buch ist für mich das Standardwerk des heutigen Erkenntnisstandes – niemand kann später behaupten: „Ich habe nichts gewusst! Und ich konnte als einzelner sowieso nichts ausrichten …“
Pattloch Verlag, 303 Seiten