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Zu diesem Buch von Clemens Zahn hat Cees Nooteboom zwar nur ein Essay „Die Rückkehr der Engel“ geschrieben, aber weil beide Autoren das Thema „Reisen“ verbindet, passen die vielen Engelfotos und Nootebooms Text harmonisch zusammen.
Engel begegnen uns überall: In der Malerei, Bildhauerei, Literatur. Auch wenn jene beflügelten Wesen schon im alten Testament vorkommen und auch das Neue Testament bevölkern, so war man lange nicht sicher, welchen Geschlechts sie seien. Das 2. Konzil von Nicäa stellte klar, dass sie geschlechtslos, also weder Männer noch Frauen seien, eben weil sie keine Körper haben und deshalb auch wohl nie nackt dargestellt werden (außer den kleinen Posaunenengeln).
Ihre Funktion innerhalb des christlichen (und islamischen) Glaubens ist nicht eindeutig: Bote, Kurier, Abgesandter, Vertreter einer geträumten Welt? Meist sind sie Boten, Gefährten, Beschützer (Schutzengel) oder Begleiter ins Jenseits, weshalb man sie als Skulpturen so auf auch Friedhöfen findet. Sie sind offenbar konfessionslos und unabhängig von einem Gottesglauben; dass sich die monotheistische christliche Kirche damit abfinden konnte, ist bemerkenswert – zumindest hat sie Engel nie in Frage gestellt.
Doch hat es unter ihnen nicht nur verschiedene Funktionen, sondern es gibt auch eine (neunstufige) Hierarchie: Seraphim, Cherubim, normale Engel, Erzengel. Der Engel Michael führt die Heere des Herrn an. Gabriel gilt als Botschafter Gottes oder Uriel, Jophiel, Zadkiel, Camael und Raphael. Beim „Jüngsten Gericht“ treten Engel gar zerstörerisch auf.
Auch ihr Aussehen variiert beträchtlich. Hatten sie in den Darstellungen des 2. Jahrhunderts noch keine Flügel, konnten sich spätere Künstler die Pendler zwischen Himmel und Erde nicht ohne entsprechende Hilfsmittel vorstellen. Ab dem 5. Jahrhundert haben sie daher Flügel.
Die Aufklärung bereitete den Engeln dann beinahe ein Ende: Sie wurden in den Bereich der Märchen und Mythen verwiesen. Dennoch kommt ab dem 19. Jahrhundert es zu einer echten Invasion von Engelsfiguren auf europäischen Friedhöfen. Doch nur gut betuchte Bürger konnte sich solche Ikonen leisten. Mal haben sie riesige Schwingen, mal nur kurze Stummelflügel, mal sind sie riesig, mal Posaunenengel klein.
Und dann gibt es da noch die gefallenen Engel, jene, die die irdische Welt so attraktiv fanden, dass sie ihr himmlisches Wesen und ihre Unsterblichkeit dafür aufgaben – aber das ist eine andere Geschichte.
Clemens Zahn / Cees Nooteboom – „Engel“. Elisabeth Sandmann Verlag 2004, 151 Seiten