Roger Willemsen – “Die Enden der Welt”

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Die Enden der Welt, darunter verstehen wir vor allem die Pole, Patagonien, Kap Horn, Grönland. Roger Willemsen hat sie alle besucht. Fünf Erdteile und 23 Stationen stellt er uns vor. Entstanden ist dabei ein (Hör-) Buch, das er – wohl nicht zu unrecht – als sein Lebenswerk bezeichnet.

Über die Entstehungszeit verrät zumindest das Hörbuch nichts. Wir dürfenaber vemuten, dass die Erzählungen zu den „gesammelten Werken“ gehören. Die erste Erzählungen spielt mitten in Deutschland: In der Eifel. Hier, an einem Neujahrstag, beginnt der junge Willemsens die Suche nach den „Enden der Welt“. Von da aus geht es nach in  den Himalaya. Dann lernen wir Island kennen. Die nächste Etappe ist Patagonien, eine fast gänzlich unbesiedelte Landschaft im südlichen Chile, wo im Durchschnitt weniger als zwei Menschen pro Quadratkilometer wohnen.

Weiter geht es nach Indien. Dann lernen wir Kamtschatka im ostasiatischen Teil Russlands kennen, bekannt hauptsächlich für das „Tal der Geysire“, das zum Weltnaturerbe der UNESCO gehört.

In Indonesien besucht er das Volk der Toraja, Eingeborene, die ihre Jahrhunderte alten Traditionen noch immer bewahrt haben. Weiter geht es nach Birma, auf den Spuren von George Orwell zum heutigen Myanmar. Dann reisen wir nach Ozeanien, in das Königreich Tonga. Das Archipel, das aus 169 Inseln und Atollen besteht, stellt von Deutschland aus betrachtet das geographische Ende der Welt dar, da es genau auf der anderen Seite der Erdkugel liegt.

In der Erzählung „Orvieto. Die fixe Idee“ geht es um elementare Fragen von Liebe und Begehren. Den Hintergrund für die Handlung bildet die italienische Stadt Orvieto. Hier wartet auf Willemsen noch ein weiteres Weltende, nämlich ein religiöses: Das Jüngste Gericht, dargestellt durch das weltberühmte Fresko von Luca Signorelli.

Die letzte der Geschichten führt Willemsen an einen Ort, den bisher nur wenige Touristen besucht haben und der noch bis vor etwa Hundert Jahren für Menschen als völlig unzugänglich galt: an den Nordpol. Mit einem russischen Atomeisbrecher „Yamal“, der für das Freihalten der „Nordwestpassage“ im weniger benötigt wird, hat sich Willemsen auf den Weg begeben. Bei 3 Grad C erreicht er bequem diesen fernen Ort, für dessen Erreichen so viele Forscher ihr Leben ließen. Die Welt schnurrt zusammen – kaum ein Ort, der sich nicht für den normalen Touristen erreichen ließe: „Letztes Jahr haben wir den Himalaya gemacht, davor die Arktis.“

Überall spürt Willemsen anthropologische Extreme auf, kulturelle Kuriositäten, soziale Bizarrerien. Alle Erzählungen sind dramatisch spannend, gehören literarisch zum Besten, was die moderne Reiseliteratur zur Zeit zu bieten hat.

Das gekürzte Hörbuch (6 CDs mit über 7 Stunden Hörzeit) wird von Roger Willemsen selbst gelesen – in diesem Falle ausnahmsweise und uneingeschränkt eine gute Lösung.

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