Walter Kempowski – “Letzte Grüße”

Rating: ★★★★☆ 

Was ist das? Eine Erzählung? Ein Tagebuch? Ein Reisebericht? Wahrscheinlich all das, nur kein Roman, auch wenn das Buch vorgibt, einer zu sein – und nach formalen Kriterien auch wohl einer ist. Dennoch, Kempowski war und ist kein Romancier, wohl ein begnadeter Chronist – und immer schon großartiger Erzähler.

„Große Literatur“ ist auch dieses Buch nicht, und will es vermutlich auch nicht sein. Denn Kempowski entlarvt den Literarbetrieb (sic!) als das, was er ist, als eitle Entäußerungen (weh-) leidender Subjekte in (Selbst-) Überschätzung.

Dem Alter ego eines senilen Candide in der neuen Welt widerfährt all das, was die moderne Gesellschaft an kleinen Gemeinheiten zu bieten hat. Und so ist das Scheitern des Protagonisten Sowtschick wie einst Hans im Glück vorprogrammiert, nur verliert er dabei auch noch sein Leben.

Was macht den Charme des Buches aus? Es ist ehrlich. Es enthüllt im inneren Monolog den (fiktiven?) Schriftsteller – und nicht nur ihn – als armes Schwein, das nach nichts mehr als um ein wenig Anerkennung buhlt – und diese gerade deshalb nie erhält. Keiner interessiert sich wirklich für ihn, den „German writer“. Jeder interessiert sich nur für sich, genau wie Sowtschick.

Da, wo das Buch zum Auflachen reizt, bei den tragikomischen Träumereien eines alternden Schriftstellers, bleibt einem das Lachen alsbald im Halse stecken. Das vermeintlich „vergnügliche“ Buch erweist sich als bitterböses.

So ist „Letzte Grüße“ denn auch eine doppelbödige Botschaft: Abgesang eines alternden Schriftstellers einerseits und maulende Beschimpfung eines sich verkannt fühlenden „German novellist“ andererseits.

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2 Antworten zu Walter Kempowski – “Letzte Grüße”

  1. A. Meier sagt:

    Ich finde Ihre Rezension „interessant“, finde allerdings, dass das Buch bei Ihnen zu gut wegkommt. Dies ist aber tatsächlich nur ein Kommentar meinerseits, keinesfalls eine Kritik. – Ich freue mich, durch Ihren Hinweis bei Amazon in einem Ihrer Kommentare auf Ihre Seite gefunden zu haben. Ich werde hier mit Sicherheit weiter schmökern. – Um auf Kempowski zurück zu kommen, falls es Sie interessieren sollte, meine Einschätzung zu dem Buch finden Sie hier:

    http://www.amazon.de/product-reviews/3813501957/ref=cm_cr_dp_hist_1?ie=UTF8&showViewpoints=0&filterBy=addOneStar

    Machen Sie bitte in jedem Fall weiter, wenn es geht in beiden Foren!

    Mit freundlichen Grüßen
    A. Meier

  2. Gewiss „Letzte Grüße“ ist nicht Kempowskis stärkstes Werk. Man darf das wohl als „Butter-und-Brot“-Werk sehen, in dem er gleichzeitig seinen Frust als nicht anerkannter deutscher Schriftsteller loslässt.

    WK hat ja erst sehr spät Anerkennung gefunden und spät Literaturpreise erhalten. Das hat ihn zeitlebens gekränkt. Er ist ein ähnlich komischer Kauz wie Arno Schmidt, auch wenn die beiden sich wohl immer aus dem Weg gegangen sind.

    Ich mag ihn zunehmend. Er hat viel für den Erhalt von deutscher Geschichte getan, wenn auch aus einer konservativen Sicht.

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