Grün/Chao-Hwei: „Was glaubst du? Christentum und Buddhismus im Gespräch“

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Dieses Buch war überfällig. Doch wer aus der christlichen Kirche, außer einem Benediktiner, könnte einem Buddhisten je auf Augenhöhe begegnen?

Anselm Grün ist seit seinem 19. Lebensjahr Benediktinermönch in der Abtei Münsterschwarzach bei Würzburg. Shih Chao-Hwei, geboren in Burma, lebt und arbeitet heute in Taiwan. Sie ist Zen-Meisterin und Professorin an der Hsuang-Chuang-Universität.

Das Buch ist ein Dialog im besten Sinne. Wer es liest, wird viel über „Pantheismus“ und Spiritualität erfahren, ganz gleich welcher Ausrichtung. Der Ausdruck Pantheismus (von altgriechisch pān „alles“ sowie theós „Gott“) bezeichnet die Auffassung, Gott sei eins mit dem Kosmos und der Natur. Die Suche nach dem Gemeinsamen beider Religionen zeigt, wie ähnlich die Ansätze trotz aller Unterschiedlichkeit sind. Alles ist miteinander verbunden.

Dabei geht es beiden nie um das Rechthaben. Es geht vielmehr um Verständnis, Achtung und Ehrfurcht vor dem Weg des Anderen. Anselm Grün steht dabei für den personifizierten Gott, der der Mythologie nach seinen Sohn als Mensch und Gott auf die Erde schickte. Shih Chao-Hwei präsentiert den Buddhismus eher als ein Lehrgebäude von allgemeinen Prinzipien, hinter denen zwar eine ordnende Macht steht, jedoch kein Gott – ein zürnender schon gar nicht.

Dabei negiert der Buddhismus keinesfalls die Existenz von Göttern oder lehnt diese etwa ab und ist mithin kein Atheismus, wie oftmals von interessierten Kreisen gerne unterstellt wird. Während jedoch der christliche Glaube Gott als Schöpfer der Welt sieht, hat die Welt für den Buddhismus immer schon existiert. Auch ist Buddha kein Gott, er hat „nur“ die innersten Gesetze der Welt erkannt. Für den Buddhismus ist die Schöpfung immer in Bewegung und beschreibt dabei die Beziehung zwischen den Lebewesen und dem Naturgesetz, den Lebenskreislauf aller Phänomene. Buddha hat anders als der christliche Gott keine Gesetze geschaffen, sondern nur Naturgesetze vorgefunden und erkannt. Ziel ist es, das Leiden zu beseitigen und das Glück zu erlangen.

Ob man an einen personifizierten Gott glaubt oder ohne einen solchen an eine  Bedingtheit aller Phänomene, macht dabei kaum einen Unterschied. Menschen haben sich schon vor Jahrtausenden die Welt zu erklären versucht und sind dabei auf verschiedene, zum Teil irrationale Interpretationsmuster verfallen, die sich bis in die heutige aufgeklärte Zeit zum großen Teil so erhalten – aber so kaum noch Bestand haben.

Gleichwohl werden Unterschiede in diesem Buch nicht ausgespart. Der Buddhismus hat als Ziel den Schutz allen Lebens. Der christliche Glaube weiß immerhin, dass uns die Güter dieser Welt nicht gehören. Auch heikle Themen werden angesprochen: Sexualität, Feminismus, Abtreibung.

Und so ist das Buch denn auch weniger eines über Religion, sondern eher eines über Spiritualität. Ein beachtlicher Unterschied, besonders da viele Religionen sich historisch  schon lange nicht mehr als Diener der Spiritualität betrachten, sondern als deren Besitzer. Welch fataler Irrglaube!

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