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„Der Seewolf“ erschien im Jahre 1904. Jack London erzählt darin die Geschichte des Schöngeists Humphrey van Weyden, der bei einem Schiffsunglück über Bord geht und von dem Robbenschoner „Ghost“ gerettet wird.
Dessen Kapitän, Wolf Larsen, ist ein Mann von großer physischer Stärke und Brutalität. Larsen beschließt, van Weyden nicht an Land zu bringen sondern einfach als Besatzungsmitglied mit auf die Reise zu nehmen – er braucht Leute für die Robbenjagd.
An Bord kommt es immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, an denen Larsen entweder selber beteiligt ist oder ihnen ihren Lauf lässt. Larsen ist trotz fehlender Schulbildung hochintelligent, belesen und hängt einer Philosophie nach sozial-darwinistischen Grundsätzen nach: In seiner Weltanschauung überlebt nur der Starke. Moral gilt ihm nichts, Altruismus ist für ihn eine Dummheit, die sich nur jemand leisten kann, der wie van Weyden in den Wohlstand hineingeboren wurde.
Der Leser erlebt als zweite Handlungsebene – neben der des Abenteuerromans – eine Auseinandersetzung des Autors mit der zentralen ethischen Frage nach „Moral“, an deren Kontrapunkte er Larsen und van Weyden stellt. Dramaturgisch entwickelt sich zwischen den beiden Protagonisten sowohl ein physischer als auch intellektueller Machtkampf, den van Weyden am Ende gewinnen kann – das Gute siegt wieder einmal. Jack London schrieb später:
„Vor vielen Jahren, ganz am Anfang meiner Schriftstellerlaufbahn, griff ich Nietzsche und seine Vorstellung vom Übermenschen an. Das war im Seewolf. Viele Leute haben den Seewolf gelesen, keiner hat entdeckt, dass er eine Attacke gegen die Übermensch-Philosophie war.“
Doch dafür war Jack Londons Auseinandersetzung mit diesem anspruchsvollen Thema denn wohl zu wenig philosophisch und zu sehr „abenteuerlich“ – zumal schlussendlich auch eine Frau zwischen den beiden Helden steht.