Daniel Kehlmann – „Beerholms Vorstellung“

Rating: ★★★★★ 

Mir sind nur wenige Schriftsteller bekannt, die die skurrile Leistung eines sich selbst erzeugenden Buches vollbracht haben. Daniel Kehlmann kann das, auch wenn die Phantasie dabei manchmal (nach meinem Geschmack noch zu oft) mit ihm durchgeht.

In Anlehnung an M. C. Eschers sich selbst zeichnenden Hände hat Kehlmann
dieses Buch geschaffen. Autor und Leser wissen nicht: Träume ich oder ist das die Wirklichkeit?

Alles hängt mit allem zusammen. Kehlmann, Beerholm und der Leser stehen vermeintlich mehrfach kurz vor der alles umfassenden Erkenntnis, dem Verstehen der universellen Zusammenhänge. Und nicht nur Beerholm ergreift dabei der Schwindel, wenn er den (meta-) physischen Zusammenhang der mathematischen Unendlichkeit und dem christlichen Glauben herstellt.

Immer wieder beschreibt Kehlmann in seinen Werken Menschen an der Grenze zum  Wahnsinn, hier den Zauberer, den Magier Beerholm.

Kehlmann ist dabei nichts heilig. Allmachtsphantasien suchen Kehlmann, pardon, Beerholm heim. Selbst vor christlichen Allegorien wie der des „brennenden Busches“ macht er nicht halt. Am Ende, so scheint es, gehorcht ihm gar die Materie. Doch gleich Ikarus, der der Sonne zu nahe kommt, ist der Absturz Beerholms programmiert, natürlich nicht, ohne die Fallgeschwindigkeit vorher zu berechnen.

Traumgleich erschafft Beerholm sich auch seine Eva/Nimue, von der weder er noch der Leser letztlich genau sagen können, existiert sie nur in seiner Phantasie oder ist sie wirklich?

Ein im wahrsten Sinne des Wortes „traumhaftes“ Buch. Allerdings nur für Leser, die so etwas schätzen. Unschwer lassen sich Anlehnungen an große andere Autoren erkennen. So erinnert mich nicht nur das Kapitel 4 stark an Hermann Hesses „Glasperlenspiel“.

Am Ende dieses Buches wacht der Leser wie aus einem schweren Traum auf – und fragt sich „Habe ich das nun gelesen? Oder habe ich nur geträumt, so ein Buch gelesen zu haben?“ Ich versichere Ihnen, ich bin mir selber nicht ganz sicher …

Dieser Beitrag wurde unter 5 Sterne, Roman abgelegt und mit verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.